Zwei Lahme im Eilschritt

Der Kanzler und die Oppositionsführerin drücken bei der Gesundheitsreform aufs Tempo: Sie treffen sich noch in dieser Woche zum Spitzengespräch. Heute schon erste Runde der Gesundheitsexperten

BERLIN taz ■ SPD und Union haben es bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung für die Gesundheitsreform plötzlich eilig. Noch in dieser Woche werden sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sowie CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel zu einem Spitzengespräch treffen. Das bestätigte Regierungssprecher Béla Anda am Montag. Ein erstes Sondierungstreffen auf der Ebene der Gesundheitsexperten von SPD, Grünen und CDU/CSU findet bereits heute statt.

Die SPD, in deren Bundestagsfraktion es bei einer Probeabstimmung zur Gesundheitsreform in der vorigen Woche sieben Gegenstimmen gab, übt auf die Union sanften Druck aus. „Es wäre nur mit politischem Unwillen zu erklären, wenn es nicht zu einer schnellen Einigung kommt“, sagte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei. Die Regierung jedenfalls sei bereit für eine gemeinsame Lösung. Gleichzeitig hielt sich Scholz bei der Bewertung der Unionsbeschlüsse zur Gesundheitsreform vom Wochenende auffallend zurück. „Wir sollten uns jetzt nicht verbeißen“, sagte er. Die Union hingegen beharrte darauf, dass es wesentliche Unterschiede in den Konzepten von Union und Regierung gebe. Die Streichung des Zahnersatzes als Kassenleistung nannte Merkel eine „grundsätzliche Entscheidung“. Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer kritisierte die Vorschläge der Union deutlich. CDU/CSU betrieben „Lobbypolitik statt Reformpolitik“. Dennoch seien die Grünen zur Zusammenarbeit bereit.

Die für heute geplante „interfraktionelle Runde“ der Abgeordneten Gudrun Schaich-Walch (SPD), Birgitt Bender (Grüne), Annette Widmann-Mauz und Andreas Storm (beide CDU) soll nunmehr um die beiden Verhandlungsführer, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Horst Seehofer (CSU) erweitert werden. Bei dem Gespräch soll geklärt werden, ob Rot-Grün und Union bereits im Bundestag und nicht erst im Bundesrat eine Einigung suchen wollen. Der CDU-Gesundheitspolitiker Andreas Storm schloss gestern allerdings aus, dass die Konsensgespräche noch vor der zweiten und dritten Lesung des Gesundheitsreform-Gesetzes abgeschlossen werden könnten. „Es wird sicher nicht bis zum 8. Juli reichen“, sagte Storm.

Nach tagelangen Querelen um den Kurs von CDU und CSU hatte Merkel am Sonntagabend mit Seehofer vereinbart, dass er Verhandlungsführer der Union wird. Der strittige Punkt der Zahnersatzprivatisierung, sagte Merkel, werde dabei „von niemandem als Gewissensfrage angesehen“.  JENS KÖNIG,
  ULRIKE WINKELMANN

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