Wattenscheid votiert gegen Ministerin

Die Wattenscheider Genossen stimmen ein Jahr vor der Landtagswahl gegen Gesundheitsministerin Birgit Fischer. Deren Kandidatur könnte an den Besonderheiten in den Bochumer Stadtbezirken scheitern

BOCHUM taz ■ NRW-Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) muss um ihre Direktkandidatur zur Landtagswahl 2005 im Wahlkreis 109 bangen. Beim Votum des SPD-Stadtbezirks Wattenscheid unterlag sie im zweiten Wahlgang dem Herausforderer Serdar Yüksel mit 36 zu 44 Stimmen. Zwölf Stimmen entfielen auf Jürgen Dieckmann. Auf einen eigentlich notwendigen dritten Wahlgang wurde verzichtet. Yüksel glaubt dennoch bei der Nominierung auf dem Unterbezirksparteitag am 12. Juli zumindest die Wattenscheider Genossen hinter sich haben. „Trotz des knappen Ergebnisses haben mir auch die Delegierten, die für Frau Fischer gestimmt haben, ihre Unterstützung zugesagt“, ist Yüksel sicher. Die Ministerin konnte gestern zu den Ergebnissen keine Stellung nehmen, da sie zu Gesprächen in Berlin weilte und telefonisch nicht zu erreichen war.

Zum Wahlkreis 109, Bochum III/Herne II gehören neben dem Stadtbezirk Wattenscheid, auch Fischers Heimbezirk Bochum-Mitte sowie Herne-Eickel. Die Entscheidungen in den anderen Bezirken stehen noch aus. Fischer kann im Bezirk Bochum-Mitte auf volle Unterstützung rechnen, im kleinsten Bezirk Herne-Eickel könnten aber die umstrittenen Pläne des Gesundheitsministeriums zum Neubaus einer forensischen Klinik für psychisch kranke Straftäter das Wahlverhalten der Delegierten beeinflussen – die Stadt Herne, inklusive der SPD, klagt vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen den Neubau. Die Entscheidung fällt im August. Yüksel wollte sich zum Thema Forensik daher auch nur taktisch äußern: „So lange kein Gerichtsbescheid vorliegt, besteht kein Bedarf.“

Es darf jedenfalls als Überraschung gelten, dass Yüksel sich im Stadtbezirk Wattenscheid durchsetzen konnte. Vor zwei Wochen war noch nicht klar ob der 31-Jährige überhaupt zur Abstimmung antritt. Der ehemalige Juso-Vorsitzende und Bochumer attac-Begründer ist zwar seit 15 Jahren in der Partei, auf höherer Ortsvereinsebene spielte er aber bislang keine größere Rolle. Die Wattenscheider Vertreter Axel Sutter und Jürgen Dieckmann galten da als aussichtsreicher. Doch es kam anders. Jetzt hat ein Kandidat mit „Migrantenhintergrund gegen die Ministerin gewonnen“. Dieses Ergebnis mache ihn „stolz auf diese Partei“, so Yüksel. Woanders sei dies niemals möglich.

Dass er dabei auch vom speziellen Verhältnis der im Jahre 1975 zwangseingemeindeten Wattenscheider zur Stadt Bochum profitiert will Yüksel nicht verbergen, allerdings reiche es nicht aus „nur die Wattenscheider Karte zu spielen“. Immerhin verfüge er auch über ein „sozialpolitisches Profil“. Wie auch die Ministerin. Dennoch: Weil durch die Verkleinerung der Wahlkreis erstmals kein reiner Wattenscheider Kandidat mehr im Landtag vertreten sein wird, rücken die Genossen in der Vorstadt enger zusammen. Axel Sutter zog am Wochenende nach dem ersten Wahlgang seine Kandidatur zurück und bat die Stadtbezirks-Delegierten um Unterstützung für Yüksel – für die Landtagskandidatur.

Aus Kreisen der Landes-SPD werden schon erste Bedenken laut, ob der Schritt Fischers zur so genannten Kampfkandidatur richtig gewesen ist. „In den anderen Bochumer Wahlkreisen wäre es sicherlich einfacher geworden“, sagt eine Landtagsabgeordnete der SPD. „Hoffentlich hat sie sich nicht verkalkuliert.“ Die endgültige Entscheidung über die Landtagskandidatur wird erst in einigen Wochen fallen. Die Voten im Stadtbezirk sind daher vor allem als Stimmungsbild innerhalb der Unterbezirke zu sehen. HOLGER PAULER