Mit zarten Tönen in leiser Brandung

Hamburger Staatsoper: Werkstatt der Komponisten

Genüsslich ziehen die drei Irrenärzte große Spritzen auf – „mmhh“, machen sie – deren Mixtur sie vorher lotteriegleich aus Lexika zusammengesucht haben.

„Rrrr“ liebkosen sie ihre Spritzen und nähern sich rhythmisch der Verwirrten, deren Domestizierung sie nicht erwarten können. Schrill schreit die Irre, die nach der Sedierung von ihren Ärzten –„khkh“ – mit ekliger Liebe überzogen wird.

Mit ekliger Liebe

Gespaltene, rastlose Charaktere sind es allesamt, die sich die drei Preisträger der Hamburger Komponistenwerkstatt da ausgesucht haben. Das Projekt der Hamburgischen Staatsoper und der Hochschule für Musik und Theater ermöglichte den Künstlern, die Produktion der eigenen Werke innerhalb eines Opernbetriebes zu erleben. Mit Regisseuren, Dirigenten und Orchestermusikern der Staatsoper entwickelten sie ausgewählte Szenen bis zur Bühnenreife.

Schon nach dem ersten, dem eingangs beschriebenen Stück Mondstrahl von Gordon Kampe (Regie: Christoph von Bernuth) ist klar: An diesem Abend soll nicht das Herz gewärmt, sondern der Geist in Aufruhr gehalten werden. Nervös, entsetzlich nervös ist auch der Mörder in Arvid Ongs Opernwerk Das verräterische Herz.

Geist in Aufruhr

Die Violine zieht an den Nerven, des Toten Herz hört einfach nicht zu schlagen auf und treibt den Sünder in den Wahnsinn. Dramatik, Irrwitz und fröhliche Beschränktheit, Arvid Ongs Klänge begleiten die Wechselbäder der Gefühle und weben ein Netz dichter Anspannung, aus der auch der Täter nicht mehr entkommt.

Zwei Polizisten sind sofort parat und geben der gequälten Seele freundlich Rat: „Warme Milch hilft gegen Schlafstörungen.“ Bei Regisseurin Elisabeth Stöppler darf die unfähige Polizei hüpfen, schuhplatteln und Kreidestriche ziehen.

Dramatischer Irrwitz

Mit zarten Tönen in leiser Brandung beginnt Alexander Muno – doch ganz geheuer ist auch das nicht. In Du Carnet d‘un Damné – die französischen Texte stammen von Arthur Rimbaud und Paul Verlaine – vertont er ein Mysterienspiel, in dem Prinzipien statt Personen handeln. Kurz darf man träumen, wenn der Schreiber die Feder wieder zu führen weiß und ihm seine Liebste dabei über die Schulter schaut.

Doch auch das ruhigste der drei Werke erlaubt nur vorläufige Entspannung. Den Dichter-Schreibtisch lässt Regisseur Benedikt von Peter zum Krankenbett umbauen, nach schriller Ekstase siecht der Schriftsteller dahin: deadline.

Schrille Ekstase

Sparsame Requisite, die Personen in Schwarz oder fleckenloses Weiß gekleidet – durch Einsatz derselben Stilmittel und Akteure erscheinen die drei Kammeropern wie eine einzige. Ausruhen darf sich der Zuhörer zu keinen Zeitpunkt – besser er ist sich darüber im Klaren, dass irgendwo immer die Bestie schlummert. Stephanie Janssen

Weitere Aufführungen: heute und morgen, jeweils um 20 Uhr, im Forum der Hochschule für Musik und im Theater Hamburg, Harvestehuder Weg 10