Grüne für und gegen Steuersenkung

Scheel: Grundfreibetrag erhöhen. Özdemir: Wer zahlt dafür? Schulden sind jetzt aber okay

BERLIN taz ■ Die Grünen sind auch dafür, den Grundfreibetrag der Einkommensteuer auf 8.000 Euro anzuheben. Darin unterstützen sie die geplante Steuersenkung im zweiten Konjunkturpaket der Regierung. Eine Anhebung des steuerfreien Existenzminimums sei „notwendig“, sagte die grüne Finanzexpertin und Fraktionsvizechefin, Christine Scheel, am Donnerstag der taz. Das sei Konsens in der Fraktion.

Nun lehnte Grünen-Chef Cem Özdemir zur selben Zeit Steuersenkungen ab: „Ich weiß nicht, mit welchem Geld wir das ausgeben sollen“, sagte er im Rundfunk. Doch haben die Grünen am Montag Gelegenheit, eine gemeinsame Haltung zu finden. Dann trifft sich die Fraktion samt Parteispitze zur Klausurtagung in Frankfurt/Main. Dort soll ein Papier beschlossen werden, das die bislang ausstehende grüne Antwort auf die Konjunkturpolitik der großen Koalition formuliert – und auf das ebenfalls für Montag erwartete Konjunkturpaket II eingeht.

Scheel begründete die Unterstützung der Koalitionspläne damit, dass ohne eine Anhebung des Grundfreibetrags auch die Hartz-IV-Sätze nicht erhöht werden könnten. Die Grünen verlangen, dass die Monatszahlung für Langzeitarbeitslose von 351 Euro auf 420 Euro steigt – „das entspricht einem Grundfreibetrag von 8.040 Euro“, sagte Scheel.

Doch ist der Grundfreibetrag – das von Steuern befreite Jahreseinkommen von 7.664 Euro – zwar rechtlich an die Hartz-Regelsätze gekoppelt. Umgekehrt gilt dies aber nicht. Mehr Hartz IV müsste politisch gewollt sein.

Endgültig haben die Grünen sich zum neuen Jahr vom grünen Oberziel der Schuldenvermeidung verabschiedet. Fraktionschef Fritz Kuhn erklärte am Donnerstag: „In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage“ sei Schuldenmachen unvermeidbar – wenn auch nur mit „Schuldenbremse“. Schon zu Weihnachten hatte eine Gruppe um den hessischen Abgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn ein Konjunkturpaket von 50 Milliarden Euro verlangt. Um Wirkung zu entfalten, „muss es überwiegend kreditfinanziert sein“, schrieben sie.

Doch wollen die Grünen sich auch nicht dem weltweit vernehmbaren Ruf nahezu aller Ökonomen nach kurzfristigen Geldspritzen vom Staat beugen. „Von unseren Forderungen würden nur höhere Hartz-Sätze die Binnennachfrage sofort stärken“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Kerstin Andreae, der taz.

Die anderen grünen Pläne zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise sollen eher den grünen Markenkern der „Nachhaltigkeit“ schützen: Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz sowie in Bildung. „Dazu muss man Geld in die Hand nehmen“, sagte Andreae. „Wichtiger als ein Konjunktur- ist aber ein Strukturprogramm.“ Dass sie sich damit dem Vorwurf aussetzt, nicht schnell genug auf die Rezession zu reagieren, nimmt sie in Kauf: „Diese Krise wird ohnehin länger dauern“. ULRIKE WINKELMANN