Selbstsuche in der Prärie

Für seine Dokumentation „Der Berufsindianer“ begleitete der Hamburger Filmemacher Ramon Kramer den Schauspieler Gojko Mitic, Star der DDR-Karl-May-Filme, in den echten so genannten Wilden Westen. Heute Abend ist der Film im Foolsgarden zu sehen, morgen zeigt ihn der NDR.

Die Faszination an den ab Mitte der 60er Jahre von der DEFA produzierten Indianerfilmen liegt wohl in deren gelungener Melange aus Abenteuergeschichte und historisch-materialistischer Genauigkeit begründet. Der humanistische Diskurs vom „edlen Wilden“ wurde sozusagen frei von Pathos und Kitsch zur direkten Kritik an der barbarischen Vorgeschichte der US-amerikanischen Zivilisation. Gleichwohl gelten Filme wie Die Söhne der Großen Bärin oder Die Spur des Falken bestenfalls als billige Nachahmung der westdeutschen Karl-May-Verfilmungen – und DEFA-Star Gojko Mitic als bloßes Rollendouble von West-Winnetou Pierre Brice.

Vielleicht auch dieses Pauschalurteil brachte den Hamburger Musiker und Dokumentarfilmer Ramon Kramer auf die Idee, Mitic im Spätsommer 2001 auf einer dreiwöchigen Reise mit einem kleinen Filmteam zu begleiten. Tausend Meilen führte der Weg von der Pine Ridge Reservation der Sioux über die Black Hills zur Heimat der Blackfeet-Indianer. Daraus entstand die 45-minütige Dokumentation Der Berufsindianer – weit mehr als ein Porträt des bis heute bei den Karl-May-Spielen aktiven Indianerschauspielers: der Versuch, professionell gelebte Fiktion mit der Wirklichkeit der im Kino stets ästhetisierten Geschichte und Lebenswelt der native americans zusammenzubringen.

Kramer, der bereits verschiedene Reservationen besucht und sogar gemeinsam mit Blackfeet-Indianern das Konzeptalbum The Return of the Buffalo Horses aufgenommen hat, ist ein eindringliches Doku-Road Movie gelungen, in dem die meditativen Bilder weiter Prärielandschaften mit Einblicken in die harte soziale Realität der Reservationen konfrontiert werden; mittendrin der neugierige wie nachdenkliche Mitic.

Dessen Identität droht zu verschwimmen, als er sich zusammen mit Blackfeet-Indianern seinen mitgebrachten Leinwanderfolg Die Söhne der großen Bärin von 1966 ansieht – und Applaus bekommt für seine realistische Darstellung und die in Hollywood-Produktionen bis heute vermisste indianische Sicht auf die Historie. Dass Mitic die unvermeidliche Ironie des ganzen Unternehmens nicht ganz unbemerkt geblieben ist, zeigt sich gegen Ende von Der Berufsindianer: Nach der Teilnahme an einer indianischen Schwitzhüttenzeremonie summt er die Ween-Desperado-Ballade „Buenos Tardes Amigo“ vor sich hin. Ein Berufsindianer eben, aber ein guter.MATTHIAS SEEBERG

Vorführung in Anwesenheit des Regisseurs: heute, 21 Uhr, Foolsgarden (Lerchenstr.); ausgestrahlt wird die Dokumentation morgen, 20.15 Uhr, sowie am Montag, 30.6., 15.15 Uhr, NDR Fernsehen