Die Dementis vor dem Sparen

Wie in jedem Jahr positionieren sich die Minister der rot-grünen Koalition vor den Spargesprächen mit Bundesfinanzminister Eichel. Dem fehlen bis zu 13 Milliarden Euro für seinen Haushalt.

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

„Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft auf.“ Wie recht der Volksmund damit hat, demonstriert derzeit die rot-grüne Koalition. Zurzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwelche Politiker gegen das Sparen schießen, oder durch gezielte Indiskretionen gegen den Finanzminister selbst. Auch heute sah sich Regierungssprecher Béla Anda wieder einmal gezwungen, Hans Eichel baldige Ablösung zu dementieren.

Die Financial Times Deutschland (FTD) hatte kolportiert, Verteidigungsminister Peter Struck weigere sich, noch mit Eichel über seinen Haushalt zu verhandeln. Ähnliches hatte Bild am Sonntag vorgestern über Bildungsministerin Edelgard Bulmahn und Umweltminister Jürgen Trittin behauptet. Alle drei Ministerien dementierten. Anda sah sich genötigt zu ergänzen, dass der Kanzler keine Haushaltsverhandlungen führe.

Einerseits steckt hinter diesen Meldungen das „übliche Spiel“, wie es aus dem Finanzministerium heißt. „Alle versuchen sich vorab in eine gute Position zu bringen.“ Das war tatsächlich auch in den Vorjahren nicht anders.

Bei Verteidigungsminister Struck geht es offenbar um ein Sparvolumen von 650 Millionen Euro, von dem er nur 150 Millionen erbringen wolle, wie die FTD meldet. Das ist nichts Besonderes angesichts der Summen, um die sich Eichel mit Strucks Vorgänger Rudolf Scharping streiten musste: 2001 ging es um 1,5 Milliarden Euro aus dem Antiterrorpaket, 2002 um 3,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der Airbus-Militärtransporter.

Umweltminister Trittin hat zwar noch nie ein Ministergespräch für die Einigung mit Eichels Ministerium benötigt. Bei ihm geht es aber nur um 23 Millionen Euro im Haushalt 2005 – und zwar um Technologieförderung für erneuerbare Energien, ein Bereich also, der nach dem Selbstverständnis der Koalition künftig mehr Geld bedarf.

Doch darunter schlummert ein handfester Konflikt. Noch immer ist in der Koalition nicht ganz klar, wie weit das Sparen diesmal getrieben werden soll. Der Kanzler und Parteichef Franz Müntefering, aber auch einige grüne Politiker, darunter etwa Außenminister Joschka Fischer, Trittin oder der Wirtschaftspolitiker Fritz Kuhn, wollen ein neues Sparpaket unbedingt vermeiden. „Ich habe einen Horror, dass wir so etwas noch mal erleben wie 2002 mit der Streichliste“, sagt etwa Kuhn der taz. Damals bescherten die vielen kleinen Sparvorschläge aus dem Haushaltsbegleitgesetz, das Eichel in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hatte, der Koalition wochenlang eine schlechte Presse. Damals sei „Optimismus und Vertrauen zerschlagen worden“. Doch es geht auch darum, die anziehende Konjunktur nicht durch zu engstirniges Sparen abzuwürgen.

Auf der anderen Seite steht die Furcht der Haushaltspolitiker, Rot-Grün könne durch zu energisches Betonen dieser Position die bisherige Sparpolitik, „das Tun der Regierung, diskreditieren“, wie etwa die grüne Haushaltspolitikerin Anja Hajduk es ausdrückt.

Bisher ist es noch mehr ein Konflikt um die rechte Botschaft als um konkrete Alternativen. Das wird sich ändern, wenn das Ausmaß des Haushaltslochs erst ganz klar ist. Am Donnerstag legt der Arbeitskreis Steuerschätzung seine überarbeitete Prognose vor. Zusammen mit den fehlenden Bundesbankgewinnen, den unterbleibenden Mauteinnahmen und den steigenden Kosten für Arbeitslose und Rentner rechnet die Koalition nach taz-Informationen mit Mindereinnahmen von 10 bis 13 Milliarden Euro in diesem Jahr. Einige Experten rechnen mit bis zu 15 Milliarden. 2005 sieht es vermutlich ähnlich schlecht aus.

Doch trotz des Anziehens der Konjunktur hält Eichel selbst ein Reißen der Maastricht-Kriterien in diesem Jahr für „nicht auszuschließen“. Die Koalitionsrunde hat deshalb nach taz-Informationen am Freitag vereinbart, kurz nach der Steuerschätzung ein neues Treffen der Koalitionsspitze zu arrangieren, um gemeinsam den Haushaltskurs festzuzurren. Wenn es mit den Indiskretionen vor allem zu den angeblichen Mehrwertsteuerplänen darum ging, Eichel Sparappellen vorab die Schlagkraft zu nehmen, dann ist dies gelungen.

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