: Beamtenstatus überholt?
betr.: „Hurra, der Lehrer wird kündbar“, taz vom 11. 3. 03
Dass der Artikel von vagen Andeutungen und unzutreffenden Behauptungen nur so strotzt, ist mehr als ärgerlich. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern schon seit Jahrzehnten ein einheitliches öffentliches Dienstrecht, das für Beamtinnen und Beamte die gleichen Durchsetzungs- und Verhandlungsrechte eröffnet, wie sie bei Angestellten und ArbeiterInnen existieren. Das würde auch der europäischen Sozialcharta und den in sonstigen europäischen Ländern existierenden Rechten entsprechen.
Die Absicht des Senats ist aber keinesfalls, ein einheitliches öffentliches Dienstrecht auf den Weg zu bringen. Es geht anscheinend nur darum, der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, der Senat würde handeln, egal in welche Richtung, mit welchem Ergebnis und mit welchen Zielen. Wenn Betroffene angesichts der Politik der vergangenen zehn Jahre über eine erneute Ankündigung, Lehrer nicht mehr verbeamten zu wollen, gequält stöhnen, so liegt das an den Erfahrungen insbesondere seit 1995.
[…] Die Lösung der Statusfrage für Lehrkräfte im öffentlichen Dienst kann nämlich nur auf Bundesebene für alle Länder gleichartig getroffen werden, nicht aber von einem einzelnen Land. […] Nicht nur kleinere Probleme wie Versetzungen zwischen den Bundesländern, Auslandsschuldienst und Funktionsstellenzugang machen Einzelländerlösungen unsinnig. Es ist insbesondere die Tatsache, dass wir uns in einer Phase bestehenden und zunehmenden Lehrermangels befinden, die Insellösungen unsinnig machen. Das Land Berlin wird besonders in Mangelbereichen wie berufsbildender oder auch Sonderschulbereich mit den großen „Verbeamtungsländern“ wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen nicht konkurrenzfähig sein, weil – bei aller verbandspolitisch und ideologisch sauberen Betrachtungsweise des Beamtenstatus – viele Berufsanfänger eben diesen erstrebenswert finden.
Unter aktuellen finanzpolitischen Aspekten ist die Entscheidung des Senats der reine Wahnsinn. Erstens können die vorhandenen Beamtinnen und Beamten nicht „entbeamtet“ werden. Pro Stelle kostet jede angestellte Lehrkraft ca. 31 Prozent mehr als eine verbeamtete Lehrkraft. Die perspektivischen Wirkungen, mit denen die Politik zurzeit wieder wedelt, nämlich Einsparungen in der Altersversorgung, treten frühestens in 40 Jahren ein. Die Diskussion um die „Beamtenlast“, unter der der Staat zusammenbrechen wird, wird in der Öffentlichkeit populistisch und vorurteilsbeladen geführt. […]
Die Behauptung, Beamte würden für ihre Altersversorgung nicht zahlen, ist unzutreffend. Die Bruttobesoldung der Beamtinnen und Beamten ist ca. sieben Prozent niedriger als die eines Angestellten. Für 15 Jahre werden von jeder Besoldungserhöhung 0,2 Prozent abgezogen, insgesamt drei Prozent, macht zusammen zehn Prozent. Das ist der Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung. Diesen Eigenbeitrag der Beamtinnen und Beamten an ihrer Altersversorgung legt der Staat jedoch nicht in einer Pensionskasse fest, was eigentlich seine Pflicht wäre, sondern verfrühstückt es in selbst verschuldeten Haushaltslöchern. Seinen Arbeitgeberanteil legt er konsequenterweise auch nicht fest. Die Behauptung, die Altersversorgung der Angestellten und Arbeiter sei rein beitragsgestützt, ist ebenfalls unzutreffend. Allein in diesem Jahr fließen 73 Milliarden Euro aus Steuergeldern in die Rentenkasse.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, die erneute Debatte um die Frage, ob Lehrer Beamte sein müssen oder nicht, zeigt lediglich die politische und rechtliche Orientierungslosigkeit dieses Senats. ILSE SCHAAD, Leiterin des Referates
Angestellten- und Beamtenpolitik in der GEW Berlin
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