Wettlauf der Modellrechner

SPD und Grüne entwickeln noch dieses Jahr eigene Bürgerversicherungs-Modelle. Einbeziehung von Beamten in die allgemeine Krankenversicherung entlastet Haushalte

BERLIN taz ■ Je mieser die Stimmung, desto wärmer erstrahlt vielen Koalitionspolitikern die Bürgerversicherung. Die Vermutung, mit der Bürgerversicherung ließen sich Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit wieder vereinbaren, zieht bei SPD wie bei Grünen Kreise. Dies wurde auch bei der gestrigen Anhörung im Bundestag deutlich, wo sich grüne Abgeordnete von Experten die Knackpunkte beim Ausbau der Krankenversicherung erklären ließen.

„Wir halten eisern an dem Vorhaben fest“, sagte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager zu Beginn. Ziel ist, noch im Juni ein grünes Modell vorzulegen. Dass die SPD nun auch „aufs Tempo drückt, stimmt uns umso zuversichtlicher“, dass die Bürgerversicherung kommt, erklärte Sager. Die SPD hat in den vergangenen Tagen beschlossen, bis zum Herbst ein Modell zu entwickeln. Vermutlich wird es nun vor der Bundestagswahl 2006 auch einen Gesetzentwurf geben.

Die „Bürgerversicherung“ soll Selbstständige, Beamte und Gutverdiener in die allgemeine gesetzliche Krankenversicherung holen. Diese ca. 10 Prozent der Bevölkerung können sich bislang privat versichern. Weil in den Privatversicherungen Gutverdienende und also Gesündere unter sich sind – Schwerkranke und Behinderte werden gar nicht erst aufgenommen –, bekommen privatv Versicherte zu relativ günstigen Tarifen eine bessere Versorgung. Diese Ungerechtigkeit soll die Bürgerversicherung abschaffen. Außerdem sollen die Beiträge nicht mehr nur vom Arbeitslohn, sondern auch von Miet- und Zinseinkünften abgezogen werden.

Dadurch sollen die Beiträge für alle sinken. Wie das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges) für die Grünen ausgerechnet hat, könnte der Durchschnittskassenbeitrag von derzeit 14,1 auf 12,7 Prozent sinken, wenn man die Beiträge bis zu bisherigen Beitragsbemessungsgrenze von 3.487,50 Euro berechnet. Je höher diese Grenze gesetzt wird, desto niedriger fallen die Durchschnittbeiträge für alle aus – desto höher aber auch die Beiträge der Gutverdiener. Hier sehen die Grünen ein Belastbarkeitsproblem, da Gutverdiener schließlich schon aus ihrem Privilegiensystem gerissen werden sollen.

Der Iges-Experte Wilhelm Schräder erklärte auch, wie sich die Einbeziehung von Beamten auswirken würde. Die Beamtenlobby sagt, für die öffentlichen Haushalte wäre die Bürgerversicherung teurer als das jetzige Beihilfesystem. In der Tat stiegen die Kosten bei einer allmählichen Einbeziehung 20 Jahre lang an, bevor sie dann fallen, so Schräder. Leitet man alle Beamten sofort über, „werden dagegen die öffentlichen Haushalte sofort um 10 Prozent entlastet.“

Es wird noch viele Modellrechnungsschlachten geben bis zu einem Gesetzentwurf.

ULRIKE WINKELMANN