Zweifel am Fusions-Zeitplan

Ausschusschef will nicht zwingend an Termin für Länderehe festhalten, wenn Mehrheit nicht sicher ist. Senat will nicht wackeln. Aber selbst Sarrazin warnt davor, die Fusion als Selbstläufer zu betrachten

von STEFAN ALBERTI

Der Zeitplan für die Länderfusion steht für den zuständigen Ausschusschef im Abgeordnetenhaus in Frage. „Wir sollten nicht zwingend an dem vorgesehen Termin festhalten“, sagte Sonning Augstin (FDP) gestern der taz. Der Koalitionsvertrag von SPD und PDS sieht für 2006 die Volksabstimmung und für 2009 den Zusammenschluss vor. Augstin hat Zweifel, dass es bis in drei Jahren gelingt, „die Bürger mitzunehmen“ und eine Mehrheit für die Fusion zu sichern.

In der Senatskanzlei will man davon nichts wissen. „Es gibt da kein Wackeln: Wir machen das in 2006 und 2009“, sagte Senatssprecher Michael Donnermeyer. Augstins Äußerung sei kontraproduktiv: „Wer das Projekt will, sollte es nicht in Zweifel ziehen.“

Doch Fusionbefürworter Augstin steht mit seinen Zweifeln nicht allein. „Wenn noch mehr Zeit verstreicht, ohne dass ein Ruck ins Land geht, wird es immer schwieriger, den Fahrplan einzuhalten“, sagt Oskar Niedermayer, Politologe an der Freien Universität. Er hatte im Sommer 2002 mit seinem Kollegen Richard Stöss die Fusionsstimmung in beiden Ländern untersucht und eine Vorbereitungskampagne gefordert, die die Fusion „zur Herzensangelegenheit der Leute“ macht. Dazu tue sich nicht genug, urteilt Niedermayer nun. In diese Kritik schließt er auch den Senat ein. Sein Kollege Stöss hat den Eindruck, die Politik sehe die Fusionspläne nur als „Pflichtübung“.

Die FU-Wissenschaftler hatten 2002 in Berlin eine deutliche, in Brandenburg hingegen nur eine knappe Fusions-Mehrheit von 52 zu 46 Prozent festgestellt. Im Herbst soll eine neue Untersuchung folgen. Vergangene Woche schon sah eine Infratest-Umfrage in Brandenburg die Befürworter deutlich in der Minderheit: Nur 42 Prozent sprachen sich „alles in allem“ für die Länderehe aus, 50 Prozent lehnten sie ab, 4 Prozent war sie egal.

Senatssprecher Donnermeyer mochte den Zahlen keinen hohen Wert beimessen: Die gesunkene Zustimmung führte er darauf zurück, „dass die Stimmung derzeit allgemein schlecht ist.“ Die Fusion muss bei der Volksabstimmung in beiden Ländern eine Mehrheit erhalten. Daran scheiterte 1996 der erste Anlauf: Während 53,6 Prozent der Berliner zustimmten, taten das in Brandenburg nur 36,6 Prozent.

In den vergangenen Monaten hatte die extreme Verschuldung Berlins die Debatte dominiert. Berlin steht mit rund 50 Milliarden Euro in den Miesen, Brandenburg nur mit 15 Milliarden. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) drängt daher auf Bundeshilfen für ein fusioniertes Land, das dann nicht mehr Altschulden haben dürfe als andere Länder. „Die Finanzierung muss vorher gelöst werden“, sagte er am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion. „Der Bund ist da gern bereit, die Hand zu reichen“, entgegnete Staatssekretär Volker Halsch vom Bundesfinanzministerium. Dazu müssten aber auch die anderen Länder ihren Beitrag leisten und Berlin und Brandenburg ihre Zusammenarbeit jetzt schon vertiefen.

Sarrazin warnte davor, die Volksabstimmung als Selbstläufer zu betrachten: „Der Bürger ist meistens veränderungsunwillig.“ Die Vorteile eines gemeinsamen Landes müssten vermittelt werden. „Da ist nicht mehr viel Zeit“, sagte Sarrazin. „Die Argumentation muss Anfang 2005 stehen, damit wir die ein Jahr lang bewerben können.“ Auch Brandenburgs Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) ist mit den bisherigen Überzeugungsversuchen unzufrieden: „Die Abstimmung geht über den Bauch. Unsere Argumente sind aber alle kopfgesteuert.“