urdrüs wahre kolumne: „Ottjen Alldag“ op platt
Wenn es denn so schwierig sein soll, für Radio Bremen eine neue Intendantin mit einiger Medienkompetenz zu finden, dass nun sogar schon Chefs der örtlichen Marketinggesellschaft als der filzokratischen Abwrackwerft des kleinsten deutschen Bundeslandes für diesen Job gehandelt werden, erkläre nunmehr ich mich zur Übernahme des hohen Amtes bereit. Ich versichere, mich auch nicht über Gebühr in die Programmgestaltung einzubringen und keinerlei Sorgenkinder im Tross zu haben, für die ich zusätzliche Posten schaffen müsste. Eigene Ambitionen hätte ich zunächst nur für eine Sendereihe zu den Heldinnen der Bremer Räterepublik, ferner für eine Talkshow aus dem BSV-Vereinsheim – und die Verfilmung von Georg Drostes „Ottjen Alldag“ auf Plattdeutsch.
Kürzlich erlebte ich in Frankfurt auf der Durchreise eine an sich wunderbare Antikriegsdemo, an der überwiegend palästinensische Menschen teilnahmen. Musste diese aber dann doch verlassen, weil mutmaßlich doitsche Arschkrampen dort plötzlich Transparente mit dieser Parole trugen: „Israel gefällt sich wieder mal in der Opferrolle.“ Warum gibt’s für so etwas eigentlich kein friedensbewegtes Backenfutter?
Die HSH Nordbank in Schieflage und damit künftiger Schmarotzer zu Lasten des Steuerzahlers, aber diese kriminelle Haifischbande mit ihren ökonomischen Hütchenspielen auf den Cayman Islands wird nun trotz aller Miesen auch noch per Dividendenausschüttung belohnt – da lässt das Schweinsein und Gemeinsein herzlich grüßen. Und wo der Hamburger Finanzsenator Michael Freytag (CDU) nicht mal für den Show-Effekt auf die Bremse tritt, anempfehlen wir ihm straferschwerend ganz einfach mal die Ehrenmitgliedschaft bei den Mobsters von der FDP. Für die können sich ja inzwischen auch schon wieder 12 oder 13 Prozent der Wähler erwärmen – die regelmäßigen Nazi-Stimmen hinzugerechnet, ja eigentlich eine gute Messeinheit für den Bodensatz einer Gesellschaft!
Da rühmt sich Bremen nur allzu gern seiner Rolle im Kampf für Frauenrechte, und nach der Feierstunde wird dann wieder ernsthaft Politik gemacht – und die Krankenhäuser des Städtchens machen sich daran, die Putzkräfte und das Küchenpersonal auszugliedern in Billig-Tarife separater Firmen wie bei den Bergers und McKinseys gelernt, obwohl diese Windmacher längst als überbezahlte und nichtsnutzige Parasiten am Wirtskörper des Haushalts ausgemacht wurden. Kann doch nicht alles in der Wohnungsprostitution landen. Passender Kommentar dazu in der Kaffeebude nahe des Bahnhofs Walle: „Ich kann mir doch schon lange kein halbes Hähnchen mehr leisten – da muss ich mir dann einen neuen Kerl für suchen.“
Schweren Herzens, aber im Grunde doch gern verzichte ich an diesem Samstagabend darauf, mir den WM-Kampf im Halbschwergewicht anzuschauen und besuche stattdessen als Fan der hart Backbord angesiedelten Band „Gruppe Gutzeit“ lieber deren Konzert im Etablissement „Sternchance“ unweit des Hamburger Fernsehturms – nicht nur zum passionierten Mitsingen bei ihrem Anti-Kaufrausch-Hit „Sabine von Lidl“. Aufs eine oder andere Bier mit anderen Likedeelern freut sich allemal ULRICH „Godemichel“ REINEKING
ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, weiß zwischen Nazis und der FDP durchaus zu unterscheiden.
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