Wasserland muss noch viel tun

Mäandernde Flussläufe, renaturierte Ufer: Bis 2015 sollen Schleswig-Holsteins Binnengewässer in einen „ökologisch guten Zustand“ versetzt sein. Wie der Umweltminister nun zugeben musste, wird das nicht klappen

Plätschernde Bäche, stille Seen: Auf Postkarten präsentiert sich Schleswig-Holstein als idyllisches „Wasserland“. Eine Bestandsaufnahme des Landes ergab dagegen, dass 98 Prozent der Fließgewässer, 95 Prozent der Seen sowie die Hälfte des Grundwassers weit entfernt sind von einem „ökologisch guten Zustand“. Der aber soll bis 2015 erreicht werden – so will es die EU-Wasserrahmenrichtlinie.

Seit einigen Jahren arbeiten Gruppen im ganzen Land daran, die Lage zu verbessern: Dieses Verfahren, das Wasser- und Bodenverbände, Naturschutz und Anlieger einbezieht, ist bundesweit einmalig. Am Freitag nun gab Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) einen Zwischenstand bekannt – und demnach ist das Ziel bis 2015 nicht zu erreichen.

Die EU fordert unter anderem, begradigte Flüsse und Bäche wieder mäandern zu lassen, Fischen Wege zu öffnen und Uferstreifen zu renaturieren. „Wir müssen Kompromisse zwischen Nutzung und Natur finden“, sagte von Boetticher. „Aber es gibt kein Gewässer, bei dem wir uns zurücklehnen.“ Das Land sei gegenüber gebirgigen Regionen im Nachteil: Jahrhunderte lang ging es einzig darum, Wasser aus den Feldern zu leiten – entstanden sind lange, schnurgerade Entwässerungsgräben.

„Das weiß man in der EU nicht“, klagt Hans Adolf Boie, Vorsteher der Wasser- und Bodenverbände. Man habe von den Eiderstädter Gräben berichtet, „da kriegten die in Brüssel große Augen“. 650 Millionen Euro würde es kosten, sämtliche Gewässer im Land in Top-Zustand zu versetzen, sagte von Boetticher – das hatte ein Amtsvorgänger errechnet. Ausgegeben werden heute elf Millionen Euro im Jahr, davon trägt die EU die Hälfte, 30 Prozent stammen vom Bund, der Rest vom Land. Letzteres konzentriert sich auf „Vorranggewässer mit gutem Potenzial“, so der Minister, in denen „man mit wenig Geld viel erreichen kann“.

Das kritisieren Umweltverbände: Kiel habe „ohne Rücksprache“ solche Gewässer ausgewählt, „bei denen schnell Effekte zu erzielen sind“, sagt Carsten Pusch, Nabu-Fachmann für Wasser, zur taz. „Schwierige Flüsse blieben außen vor.“ Umweltschützer fordern Standards – bisher werden die Maßnahmen, die lokale Arbeitsgruppen beschließen, auf freiwilliger Basis umgesetzt. So wird Bauern geraten, weniger zu düngen. Ob sie es tun, bleibt ihnen überlassen.

Das Modell, lokalen Fachleuten Verantwortung für Flussabschnitte zu übertragen, loben die Umweltverbände indes. Und wie von Boetticher berichtete, überlegt das benachbarte Niedersachsen, die Idee zu übernehmen. ESTHER GEISSLINGER