Theater ist eine Kneipe

Ein reicher russischer Oligarch kauft das Revier auf. Schorsch Kamerun inszeniert „The Golden Age of Punk and Working“ bei den Ruhrfestspielen

„Ich sah sie zum ersten Mal bei der RAF-finerie - das sind Punktexteim Industrialisierungs-Kleid“

Aus RecklinghausenPETER ORTMANN

Grauer Himmel über Recklinghausens Festspielhaus. Leise probt das polnische Akkordeon. Gestört von Gitarrenriffs. Ein Glas schlesischer Gurkenhappen steht auf der Bühne. Noch geschlossen. Auf einer Video-Leinwand werben lebende grüne Gurken im Centro Oberhausen für ein Theaterstück. Schauspielergott Sepp Bierbichler tritt auf.

Die Generalprobe zu Schorsch Kameruns „Golden Age of Punk and Working“ kommt in Schwung. Hinter der Bühne diskutiert der Regisseur und Sänger der Goldenen Zitronen mit Bierbichler noch den Ablauf, davor zerbricht sich die Produktion den Kopf, wo die Blumenvase mit den Landesfahnen von Deutschland, Polen und Europa hin soll. Die fünf Musiker der polnischen Hinterhof-Band, „ältere Herren“, wie Kamerun sagt, sitzen schon auf einem der Container der „Rollenden Road Show“ von Bühnenbildstar Bert Neumann. Sie finden bei den diesjährigen Frank Castorf-Ruhrfestpielen mehrfach Verwendung.

„Wir haben die Band in Kattowitz ausgegraben.“ Regietalent Kamerun lacht. Sie hatten sich dort den unglaublichen Namen „Drei Opfer des Weges nach Europa“ gegeben – da passte eben alles. Die musikalische Punk-Revue ist auch eine Hommage an die erste polnische Gastarbeiter-Generation im Ruhrgebiet. „Die waren alle Bergbau-Profis, doch das wurde schnell vergessen“ sagt Kamerun und erkärt seine Gedankenstränge im Stück.

Als Gegenpart zum Oberhausener Centro wird im Kleinen Theater, gleich hinter den Kicker-Automaten und den Billardtischen, ein polnisches Vergnügungsviertel entstehen. RePoPa, der „Recklinghäuser Polska Park“ mit russischem Geldgeber und einer russischen Allesverkäuferin auf Billig-Lohn-Niveau. Bierbichler ist der Oligarch, Kamerun selbst managed das Areal. „Das geht natürlich gegen diesen Kerl aus Sheffield, der das ehemalige Zechengelände außerhalb der Stadt Oberhausen aufgekauft hat und den Leuten jetzt einen Einkaufs-Event aufschwatzt.“ Kamerun hat mit seiner Crew, als Gurken verkleidet, für sich im Centro geworben und den Kulturschock erlebt. „Diese Cola-Oase, das ist das Ende der Menschheit“, der Punker ist sichtlich erschüttert. Seine Texte im Stück stammen alle von Punkbands der Endsiebziger des letzten Jahrhunderts. „Hier aus der Gegend“, erklärt er, da habe es Bands gegeben wie Siff, Solingen oder Male aus Düsseldorf, die als erste deutsche Punkband galten. Da habe es eine kurze Phase gegeben, wo Punk-Texte im Industrialisierungskleid auftauchten. „Ich sah sie zum ersten Mal an der RAFfinerie“ oder “Wir leben im Computerstaat“, Kamerun rezitiert die Texte. Das wurde dann mit der polnischen Hinterhofband gepaart und sei ziemlich grotesk geworden.

Den Besuchern werde auch nicht zuviel zugemutet, eigentlich sollte das hier funktionieren, der Ruhrgebiets-Mensch sei gewöhnt, ein paar Kilometer zu fahren. Dass es beim Kartenverkauf etwas schleppend zugehe, sei völlig normal. Theater sei nicht viel anders als eine Kneipe. Wenn da ein neuer Wirt einzöge, seien die Leute auch erst einmal skeptisch. Mit seinen „Goldenen Zitronen“ hat Kamerun im Ruhrgebiet keine negativen Erfahrungen gemacht. Er glaubt, dass Besucherpotential hier vorhanden ist. „Was soll man tun, man kann das Programm doch nicht verdaulicher machen, wie es Matthias Hartmann in Bochum zelebriert?“ Wir machen hier keine Kompromisse.

12. bis 16. Mai, 20:00 Uhr

Ruhrfestspielhaus

Karten: 02361-92180