Noch mächtig Luft im Wind

Greenpeace und EWEA halten „Windwirtschaftswunder“ für möglich, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Hamburgs CDU-Umweltsenator will das Einspeisegesetz befristen

aus HamburgGERNOT KNÖDLER

Windräder könnten bis 2020 zwölf Prozent des weltweiten Strombedarfs decken, sofern die politischen Weichen richtig gestellt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Greenpeace und die Europäische Windenergie-Vereinigung (EWEA) gestern zur Eröffnung der Messe Wind-Energy 2004 in Hamburg vorgestellt haben. Die Novelle der weltweit erfolgreichsten Weichenstellung, des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), droht allerdings vom CDU-dominierten Bundesrat abgeschmettert zu werden. Hamburgs Umweltsenator Michael Freytag (CDU) begrüßte die Aussteller mit der Forderung, die Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Quellen 2007 auslaufen zu lassen. Die Messe, die zum ersten Mal vor zwei Jahren stattgefunden hat, verzeichnete einen Aussteller-Zuwachs von fast 30 Prozent.

EWEA und Greenpeace orientieren sich in ihrer Studie „Windstärke zwölf“ an den Prognosen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zum künftigen Energieverbrauch, den bisherigen Wachstumsraten und der bisherigen Kostenstruktur der Windenergie sowie an den Erkenntnissen aus der Einführung anderer neuer Technologien nach der Lernkurventheorie. Allein die Tatsache, dass nur drei Länder – Deutschland, Spanien und Dänemark – bisher den Fortschritt bestimmt hätten, zeige „dass ein gigantisches Potential noch unerschlossen ist“.

Der Studie zufolge weht weltweit soviel Wind, dass sich der voraussichtliche weltweite Strombedarf im Jahr 2020 zweimal decken ließe. Nachdem die installierte Leistung an Windkraftanlagen in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gewachsen ist, rechnen die Autoren für die Jahre bis 2010 mit einem Wachstum von 25 Prozent. Danach werde die Wachstumsrate bis 2020 auf zehn Prozent sinken.

Tritt dieses Szenario ein, würde der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung von heute 1,5 Prozent auf zwölf Prozent wachsen – bei einem viel höheren Strombedarf. 2020 wären Windräder mit einer Leistung von 1,2 Millionen Megawatt am Netz. Pro Jahr könnten sie 3.000 Terawattstunden Strom erzeugen.

Mit zunehmender Verbreitung werde die Windenergie auch immer konkurrenzfähiger werden. In den vergangenen 15 Jahren sei der Herstellungspreis pro Kilowattstunde um die Hälfte gesunken, sagte EWEA-Hauptgeschäftsführer Corin Millais. Bis 2020 werde er an den günstigsten Standorten von heute 3,79 Cent auf 2,45 Cent pro Kilowattstunde sinken. Nach dem Szenario könnten der Atmosphäre bis 2020 insgesamt elf Milliarden Tonnen Kohlendioxid erspart und 2,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Windindustrie könnte ihren Jahresumsatz von derzeit acht auf 80 Milliarden Euro steigern.

Um dieses Wind-Wirtschaftswunder zu ermöglichen, müsste die Benachteiligung der Windkraft gegenüber herkömmlichen Energiequellen beseitigt werden, fordern Greenpeace und die EWEA. „Hindernisse für die Windkraft sind vor allem ein erschwerter Netzzugang und bürokratische Hürden“, sagt Millais. Nach wie vor würden fossile und atomare Energieträger weltweit mit 150 bis 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr subventioniert, schätzt Sven Teske von Greenpeace.

Von der Bundesregierung fordert der Energieexperte, sie müsse ihre Exportkredite vor allem erneuerbaren Energien zukommen lassen. Die EU müsse zudem mit gutem Beispiel vorangehen und sich das Ziel setzen, bis 2020 zwanzig Prozent ihres Energiebedarfs aus alternativen Quellen zu decken. Der Studie zufolge müssten andere Staaten auch Gesetze nach dem EEG-Muster erlassen.