Jahrelang galt in Kreuzberg eine Politik der Mietermitbestimmung. Daran haben sich Leute im Waldemarkiez und einige Lokalpolitiker erinnert. Denn mit der Aufhebung von Sanierungsgebieten wird der mieterunfreundlichen Immobilienspekulation wieder Vorschub geleistet. Deshalb wurde Montagabend ein Forum ins Leben gerufen, das Mieter, Politiker und Eigentümer an einen Tisch bringen, aber auch den Verkauf von Immobilen der Wohnungsbaugesellschaften transparent machen soll. Kontakt: Betroffenengemeinsachaft Walde-Kiez, www.waldekiez.org

Der Rausverkauf im Waldekiez

Die Kreuzberger Betroffenengemeinschaft der MieterInnen will es wissen – Privatisierung oder sozialverträgliche Wohnraumpolitik? Dazu diskutierte sie mit der Senatsverwaltung, Politikern und den Wohnungsbaugesellschaften

„Ich habe überhaupt nichts verstanden“, rief ein Mann aus dem Publikum unter zustimmendem Nicken der Umsitzenden. Dabei hatte Herr Geffers von der Stadtentwicklungsverwaltung doch gerade umständlich erklärt, warum im Kreuzberger Waldemar-Kiez nach der Aufhebung des Sanierungsgebietes die landeseigenen Wohnungen verkauft werden müssen. Einleuchten will das den MieterInnen des Kiezes kaum. Deshalb haben sich viele von ihnen in der „Betroffenengemeinschaft Waldekiez“ organisiert. Die hatte am Montagabend denn auch gleich zu drei Diskussionsrunden ins Haus am Böcklerpark geladen. Thema: „Die Privatisierung von landeseigenem Hausbesitz in SO 36“.

Schon während der ersten Runde zur „Aktuellen Praxis der Hausverkäufe aus landeseigenem Besitz“ gab es Unmutsbekundungen nicht nur gegenüber dem Senatsvertreter. Auch die RepräsentantInnen der Wohnungsbaugesellschaften WBM, Bewoge und GSW mussten sich kritische Zwischenfragen gefallen lassen. Besonders erbost waren die Versammelten über die schlechte Informationspolitik der Gesellschaften und die knappen Fristen für die MieterInnen.

Die haben zwar ein Vorkaufsrecht, wie die Baugesellschaften betonten. Doch in nur drei oder vier Wochen könne in einem Haus mit 20 und mehr Mietparteien keine so schwerwiegende Entscheidung wie der Kauf eines Hauses gefällt werden, klagten die MieterInnen.

Richtig laut wurde es im Saal, als es um die Legalisierung von baulichen Veränderungen in den Wohnungen selbst ging. Viele MieterInnen haben in den vergangenen Jahren Wände eingerissen, Heizungen und Bäder eingebaut. „Das wurde von der damaligen Wohnungsbaugesellschaft mündlich akzeptiert“, rief eine Betroffenenvertreterin unter großem Applaus. „Nicht alles, was bei ihnen üblich war, muss auch legal sein“, konterte ein Vertreter der Baugesellschaften kühl. Daher sei man auch nicht verpflichtet, die baulichen Veränderungen nachträglich zu legalisieren.

In einer zweiten Diskussionsrunde debattierten PolitikerInnen von PDS und Grünen über „die soziale Lage und die Wohnraumpolitik in SO 36“. Michail Nelken, Wohnungsbaupolitiker der PDS, äußerte sich kritisch zu einer Politik, die auf immer mehr Privatisierung setze. Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Babara Oesterheld, riet den Wohnungsbaugesellschaften, ihre Spielräume bei der Privatisierung besser zu nutzen. Es sei durchaus möglich, Häuser im Waldekiez im Besitz des Landes zu belassen, wenn dafür in anderen Stadtteilen Verkäufe getätigt würden.

Die dritte Runde befasste sich schließlich mit „Perspektiven einer sozialverträglichen Zukunftsgestaltung“. Dort wurde der Vorschlag des Baustadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), aufgegriffen, einen runden Tisch zu etablieren, an dem MieterInnen mit den Wohnungsbaugesellschaften und den BezirkspolitikerInnen über die strittigen Fragen reden könnten. Die Kompetenzen, verständigte man sich, seien zuvor aber noch zu klären.

PETER NOWAK