Renaissance für Rache

betr.: „Rasendes Gefühl. Vergeltung? Nichts fürchteten die Deutschen nach dem Nationalsozialismus so sehr wie die Rache ihrer Opfer, taz.mag vom 3./4. 1. 09

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das ist das hohe sittliche Ziel, das ein Teil der zivilisierten Menschheit sich vor vielen tausenden von Jahren gesetzt hatte, um der kulturschädlichen Eskalationsschraube von sich steigernden Vergeltungsschlägen ein Ende zu bereiten. Dieses sittliche Ziel ruft heute schon bei Kindern irritiertes Kichern oder entrüsteten Widerspruch hervor. Resultat einer Erziehung, in der uns vermittelt wurde, dass es schlecht sei, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und dass erfahrenes Unrecht auf anderen Wegen wieder in ein „es ist gut“ überführt werden kann.

Die Menschheit hat sich nämlich im Lauf der letzten Jahrtausende zum Ziel gemacht, in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung mit Gewaltenteilung und Gewalt als Staatsmonopol die Rache insgesamt aus gutem Grund zu ächten. Eine große Leistung. Kinder, die in einem einigermaßen empathischen Milieu aufgewachsen sind, haben übrigens den Verzicht auf Rache geübt und durften erfahren, dass man, eingebettet in ein liebevolles und insgesamt gerechtes soziales Gefüge, sehr gut damit leben kann.

Damit schreibe ich allerdings allzu Bekanntes nur noch einmal nieder. Denn, ein Redakteur der taz verankert den sensiblen Themenkomplex Opfer-Täter-Beziehung und die Rache in großen historischen Dimensionen, um dann in wahllosen Ergüssen von dannen zu schreibseln, einzig, um schlingernd auf den Appell zuzusteuern, dem „natürlichen“ Gefühl der Rache eine Renaissance der Anerkennung zukommen zu lassen. KRISTINE TRABANT, Marbach