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: Kein Homerun für Spiderman

Die Major League Baseball verzichtet nach heftigen Protesten darauf, die Bases bei einigen Partien mit Filmwerbung zu versehen

Als Baseballspieler wäre Spiderman ganz gewiss unwiderstehlich. Als Outfielder würde er sogar noch die Bälle fangen, die Barry Bonds aus dem Ballpark der San Francisco Giants zu den Booten in der Bay schlägt, sein batting average läge bei hundert Prozent und natürlich würde er bei den New York Yankees spielen. Nirgends werden die Superhelden so verehrt wie in der Major League Baseball (MLB), kein Wunder also, dass Columbia Pictures und Marvel Studios es für eine ausgezeichnete Idee hielten, ihren Film „Spiderman 2“ in enger Zusammenarbeit mit der Liga zu promoten.

Am 30. Juni feiert der zweite Blockbuster, in dem Tobey Maguire als spinnerter Peter Parker die Fäden zieht und es diesmal mit dem wenig ehrenwerten Doktor Oktopus zu tun bekommt, seine Premiere. Vorher soll der Film ausgiebig in diversen Ballparks der MLB beworben werden. Die Liga erhält dafür 2,5 Millionen Dollar und hofft zudem, dass durch die Verbindung mit dem populären Helden jüngere Leute als Zuschauer gewonnen werden. Zur Kampagne gehört nicht nur Plakatwerbung in den Stadien, sondern auch die Verteilung von Spiderman-Masken und anderen Paraphernalia.

Als Clou sollten bei einigen Spielen die Bases mit Spiderman-Logos und kleinen Spinnennetzen verziert werden. Der Aufschrei der Empörung angesichts dieser Form von Baseball-Blasphemie war so gewaltig, als hätte Commissioner Bud Selig vorgeschlagen, dass Justin Timberlake und Janet Jackson in der Pause von World-Series-Matches barbrüstig „Take Me Out To The Ballgame“ singen. Umfragen ergaben eine überwältigende Ablehnung der Aktion, worauf Columbia das Projekt sofort fallen ließ. Ohnehin sei die Sache mit den Bases nur ein winziger Teil der geplanten Aktionen gewesen. „Es war das Risiko nicht wert, wir wollen unsere Fans nicht verprellen“, sagte auch Bob DuPuy, der zuständige MLB-Direktor.

Die prompte Reaktion stieß nicht nur auf Beifall, sondern erntete auch jede Menge Spott. Ein Sportkolumnist schilderte, wie er seinem kleinen Sohn versucht habe zu erklären, dass es um die Reinheit des Baseball gehe. „Welche Reinheit“, habe der Sprössling ungerührt zurückgefragt. Andere Kommentatoren verwiesen darauf, dass Stadionnamen wie FedEx Field, Safeco Park oder Coors Field inzwischen so normal sind wie riesige, hinter dem Batter postierte Colaflaschen oder mobile Jack-Daniels- oder Tequila-Plakate. Auch Firmenlogos auf Helmen und Ärmeln von Spielern hat es schon gegeben, allerdings nur, als Yankees und Devil Rays eine Serie in Tokio absolvierten. Werbebotschaften auf dem Spielfeld, wie beim Football oder Eishockey, sind im konservativen Baseball aber vorerst noch undenkbar. „Der Hang zur Tradition zwingt uns, langsamer vorzugehen, als es sich die Marketingleute wünschen“, sagt DuPuy. Spider-Man auf den Bases war offensichtlich ein zu gewagter Zwischenspurt.

Zudem erhebt sich die Frage, ob es überhaupt angeraten ist, ausgerechnet einen Superhelden mit einem Sport in Verbindung zu bringen, dessen Spitzenkräfte, wie Barry Bonds oder Jason Giambi, gerade wegen ihrer Kontakte zum berüchtigten Steroidlabor Balco ins Zwielicht geraten sind. Vermutlich müsste sich auch ein Spiderman in Baseballuniform heute unbequemen Fragen stellen. Auf der anderen Seite wäre der Satz „Mich hat eine Spinne gebissen“ mal wieder was Neues im umfangreichen Arsenal der Dopingausflüchte.

MATTI LIESKE