Gesellschaften mit beschränktem Horizont

Private Unis und Business Schools geraten in Finanzprobleme, weil die Wirtschaft zwar viel Kritik an den staatlichen Hochschulen bereit hat, aber nur wenig Geld dafür geben will. Die begehrten Master of Business Administration entpuppen sich als Schmalspurkurse ohne wissenschaftlichen Wert

„Ich habe eine Arbeit aus dem Internet gekauft. Anders geht es nicht“

VON LENNART LABERENZ

„Ich kenne keine, die keine Probleme hat.“ Dieser Satz von Bernhard Seitz ist keine Lebensweisheit, sondern bezieht sich auf die hiesigen privaten Hochschulen, die für teuer Geld einen Master of Business Administration (MBA) anbieten. Bernhard Seitz ist auch kein Alltagspsychologe, sondern noch Managing Director des Stuttgart Institute for Management and Technology (SIMT). Das Institut muss im April nächsten Jahres aus Finanznöten schließen.

Hinter dem SIMT steht mit DaimlerChrysler, Hewlett-Packard, Siemens, Bosch und dem Maschinenbauer Trumpf fast der ganze schwäbische Weltkapitalismus. Zunächst versuchten die Unternehmen in Konkurrenz zur International University in Germany Bruchsal eine Kaderschmiede für Jungmanager zu etablieren. Die Pleite zeichnete sich jedoch ab: Seit dem vergangenen Jahr mussten die Universitäten Stuttgart, Tübingen und Hohenheim die Mehrheit im Verwaltungsrat übernehmen – die Angliederung war nur der letzte Schritt gewesen, das SIMT in vermeintlich sichereren Bahnen der öffentlichen Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart zu überführen. Auch dies war letztendlich zwecklos. Die 55 aktuell Eingeschriebenen sollen noch fertig studieren, im April nächsten Jahres fliegen dann das letzte Mal die Graduiertenhüte in den schwäbischen Himmel: Nach der fünften Studierenden-Generation schließt das lichte Gebäude aus Glas, Stahl und Waschbeton seine Pforten. „Auf dem Papier garantieren wir eine saubere Abwicklung“, raunt Seitz, „ich sage nicht, dass das kein Problem wird.“

Seit 1998 dürfen in Deutschland MBA-Titel von privaten Hochschulen vergeben werden; ein Markt, der viel Geld, Prestige und die Einlösung einer von vielen Seiten eingeforderten Eliteausbildung für den Wirtschaftsnachwuchs des Standorts Deutschland versprach. Der hastige Blick in die USA, wo die vielzitierten Beispiele Harvard und Stanford mit schnell ausgebildeten Jungmanagern fürs Wachstum des Kapitals sorgen, hatte nicht nur im Ländle für Erregung gesorgt – bundesweit beschweren sich Vertreter aus Ökonomie und Politik nur allzu gerne über angebliche Behäbigkeit der staatlichen Universitäten, deren schlechte Ausbildung oder mangelnde Praxisverknüpfung.

Als es privat in Stuttgart nicht weiterging, sollte das SIMT eine Art „schnelles Beiboot der Universitäten“ sein, wie ein Sprecher formulierte. Eine Stätte, an denen die Elite zu besichtigen sei. Der Elite-Begriff ähnelt dabei einer Gesellschaft mit beschränktem Horizont. Auf die staatlichen Institutionen gemünzt, jammert der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer: „Die Uni liefert nicht das ab, was die Unternehmen brauchen.“

Damit ist das Ziel privater Wirtschaftshochschulen vorgegeben: Richtig ist, was dem Standort nutzt. Ausgebildet wird strikt nach der Logik des Kapitals. Wissenschaftlich ist ein MBA-Studium indes zweifelhaft, es geht eben um Führungskräfte mit einseitiger Ausrichtung. Studierende müssen sich unter ständigem Zeitdruck in einem verschulten System behaupten. Das Jahr ist eng gegliedert in Klausuren, Praktika und Prüfungen, das Ziel ist ein Job und viel Geld. Nebenbei zu arbeiten ist fast unmöglich. Wer den Überblick verliert und zur Nachklausur muss, verliert Zeit für die nächste Etappe: Am Berliner Standort der privaten ESHP-EAP schrumpft die Phase für eine Diplomarbeit auch schon mal auf zwei Wochen zusammen. Die Lösung liegt auf der Hand. „Ich habe eine Arbeit aus dem Internet gekauft und modifiziert“, sagt ein Student. „Das machen hier viele so. Anders geht es nicht.“ Wissenschaftliche Erkenntnis ist am Ende der Ausbildung uninteressant, „Hauptsache durch“ heißt die Devise.

Die Havarie des Stuttgarter Schnellbootes wird somit zum Emblem der auseinander klaffenden Ansprüche und Interessen von Wirtschaft und Bildung. Aus dem Vorstand des SIMT ist hinter vorgehaltener Hand zu hören: „Die Wirtschaft macht sich nicht klar, was es heißt, Hochschulen zu organisieren.“ Die schwäbischen Unternehmen drehten der Nachwuchsstätte stückweise das Geld ab – der einzige Bereich des SIMT, der sich einigermaßen trug, waren Weiterbildungsseminare für Manager außer Haus. Die Studierenden aus dem SIMT haben wohl nicht genügend Zählbares für die lokale Wirtschaft produziert. Die Unternehmer wollen den Glanz von Harvard – aber für umsonst.

„Die Wirtschaft macht sich nicht klar, was es heißt, Hochschulen zu organisieren“

Generell ist die Nachfrage bei privaten MBA-Schools zurückgegangen, in konjunkturschwachen Zeiten überlegt jeder dreimal, ob sich 24.000 Euro für zwanzig Monate Studium lohnen. Das zertifizierte Humankapital muss sich möglichst schnell amortisieren. Zum SIMT kamen kaum die Hälfte der vorausgesehenen young potentials, die zur „Förderung der Globalisierung“ und zur Finanzierung des Instituts gebraucht wurden. Auf die angestrebten 100 Eingeschriebenen brachte man es nie.

„Wir müssen alleine in Stuttgart mit zehn Anbietern von MBA-Titeln konkurrieren“, versucht der Sprecher der Firma Trumpf, Peter Bechstein, einen Grund für das Ende zu suchen. Stückweise orientierten sich auch Fachhochschulen auf den lukrativen Markt – und bieten diese Titel erheblich billiger an. Das SIMT als Opfer des selbst geforderten Wettbewerbs? „Falsch“, bemüht sich Bechstein, „der Wettbewerb ist durch staatliche Finanzierung verzerrt. Es müssten überall Studiengebühren eingeführt werden!“ Allerdings hatten Stadt und Land das SIMT mit 10 Millionen Euro auf die Gleise gesetzt, 10 Millionen Euro aus privater Hand waren nicht ganz zusammengekommen. Die IU Bruchsal bekam nicht viel weniger. Auch dort wackelte die Uni, nachdem sich SAP zurückziehen wollte.

In Stuttgart griffen die Organisatoren auf das Grundkapital zurück, bürgten sogar für die Gebühren der Studierenden. Der Jahreshaushalt von 3,5 Millionen Euro wurde knapp, die Zahlen färbten sich rot. Fehlende Studierende, nicht zurückgezahlte Studiendarlehn, kurzfristige denkende Kapitalgeber und hauseigenes Missmanagement machen den privaten Institutionen häufig das Leben schwer. „Schuld ist eindeutig die Politik, die das MBA-Studium vor 1998 verbot. Wir haben da eine Entwicklung verpasst, die sich nicht in ein paar Jahren nachholen lässt“, erweitert Bechstein seine hilflose Klage. Ob sich das Konzept einer herangezüchteten Wirtschaftselite generell nicht trägt, wird kaum hinterfragt, die Logik vom angeschlagenen Standort Deutschland hysterisiert die Debatte und verleitet manchen Unternehmer zu Aktionismus. Allerdings zeigt die allgemeine Verunsicherung, dass sich die Idee, mit Bildung schnell und viel Geld zu verdienen – und dies ist der Kern der Tradition auch von Harvard oder Stanford – nicht so einfach nach Deutschland übersetzen lässt.