BILDUNGSPOLITIK: GANZTAGSSCHULEN WERDEN ZUM NISCHENPRODUKT
: Bulmahns Epochenwechsel

Da hat sie schon Recht, Edelgard Bulmahn, die Bildungsministerin des Bundes: Das Ganztagsschulprogramm von Rot-Grün ist ein Jahrhundert-Programm. Es markiert finanziell, historisch und pädagogisch einen Epochenwechsel in der deutschen Schulpolitik. Nie wurde in der Bildung so viel Geld auf einen Schlag für etwas ausgegeben, was so sinnvoll ist. Die vier Milliarden Euro für Ganztagsschulen knacken den Halbtagskonsens der deutschen Bildungsgesellschaft. Nirgendwo sonst in Europa gibt es das: dass sich Eltern den Kopf zerbrechen müssen, was ihre Kids am Nachmittag alles anstellen – und deswegen, selbstverständlich, Mutti Heim und Kind hüten darf. Knapp die Hälfte berufstätiger Frauen wird so aus dem Erwerbsleben gedrängt. Damit könnte bald Schluss sein.

Aber das Programm „Schule bis zum Nachmittag“ hat Nebeneffekte: Es legt schonungslos die Risiken und Nebenwirkungen von Schulreformen in Deutschland offen. Denn was bei den BürgerInnen und den betroffenen Eltern ankommt, ist zunächst nicht die neue, glücklich machende Schule, sondern lauter Probleme. Ein heilloser föderaler Wirrwarr etwa, bei dem die Länder zunächst blockierten und herumtricksten, um dem Bund bloß keinen Pluspunkt in den Medien zu gönnen. Sodann die Schwierigkeit, in Deutschland Schule neu zu denken. Eine gute Ganztagsschule ist bestimmt durch den Wechsel zwischen Projektarbeit, Frontalunterricht und Selbstlernen mit Spaßphasen. In Deutschland ist Schule aber Plackerei, die bis Mittag dauert. Am Nachmittag folgt die Freizeit, die Freude bringt. Schule darf nicht Spaß machen.

In Wahrheit haben Bulmahn und Rot-Grün also nur eine Vorlage geliefert. Unser Bildungsföderalismus ist keiner des Wettbewerbs untereinander, aus dem die Standards für das ganze Land entstehen könnten, sondern ein Nischenföderalismus, in dem die Bildungseinrichtungen zwischen Kiel und Garmisch und von Dresden bis Düsseldorf immer nur ihr eigenes Maß bestimmen. Ob daraus wirklich flächendeckend eine andere, bessere Schule wird, muss sich leider an jedem einzelnen Ort beweisen. CHRISTIAN FÜLLER