Bahn frei für die Gesundheitsreform

Die rot-grüne Regierung einigt sich mit der Union auf einen Fahrplan für die Gesundheitsreform. Ziel: Das neue Gesetz soll Ende Juli kommen. Positivliste wird fürs Erste auf Eis gelegt. Bundesländer werden noch zu den Gesprächen dazugeladen

von ULRIKE WINKELMANN

Beinahe hätte man sich vor laufenden Kameras umarmt. Scherzend und lachend traten gestern die Teilnehmer der „interfraktionellen Runde“ zur Gesundheitsreform vor die Presse und verkündeten, sie hätten sich auf einen Fahrplan für ein gemeinsames Gesetzeswerk geeinigt.

Ab Sonntag soll „en bloc“, wie die Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender sagte, getagt werden. Zwei mehrtägige Klausurperioden sind ab dem 4. Juli geplant. Bis Ende Juli wollen SPD, Union und Grüne dann auf Grundlage des Regierungsentwurfs und des Unions-Forderungskatalogs ein neues Gesetz ausgearbeitet haben. Das soll nach der Sommerpause durch den Bundestag gewunken und Ende September, vielleicht Anfang Oktober im Bundesrat abgestimmt werden.

In höchsten Tönen lobten selbst Abgeordnete, die vorgestern noch Skepsis angemeldet hatten, gestern die Atmosphäre des ersten Gesprächs. Die Grüne Bender sagte: „Es war wirklich gut.“ Die Union sei den Regierungskoalitionären „in Verfahrensfragen“ entgegengekommen. Das sei eine „vertrauensbildende Maßnahme“ gewesen. Der Handel geht so: Die Regierung legt etwa die Positivliste für Arzneimittel auf Eis, solange die Verhandlungen dauern. „Und wenn wir inhaltlich nicht zu Potte kommen, können wir die ungehindert durchziehen“, sagte Bender. Die Positivliste, seit Jahren Zankapfel zwischen Regierungen und Pharmaindustrie, begrenzt die Zahl der verschreibungsfähigen Medikamente.

Zu den Inhalten des Gesetzentwurfs äußerte sich gestern niemand, und angeblich wollen die Verhandler das auch den Sommer über so halten. Der Personalaufwand ist dabei beträchtlich. Für die SPD werden neben Gesundheitsministerin und Verhandlungsführerin Ulla Schmidt die Vize-Fraktionschefin Gudrun Schaich-Walch, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Klaus Kirschner und die Gesundheitsexpertin Helga Kühn-Mengel verhandeln.

Bei der Union treten neben dem Verhandlungsführer Horst Seehofer (CSU) die CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz sowie Wolfgang Zöller von der CSU an. Die Grünen werden außer von Biggi Bender auch von Petra Selg vertreten. Der FDP werde man „noch ein Angebot“ machen, mit an den Tisch zu kommen, sagte Zöller. Die Fraktionsvorsitzenden werden bis Sonntag außerdem von den SPD- wie von den Unions-regierten Ländern je drei weitere Verhandler einladen.

Eingeschränkt werden dürfte die groß-koalitionäre gute Laune wieder, wenn es statt um Tagesordnungen um Inhalte geht. Die Union will das „Zentrum für Qualität in der Medizin“ kippen. Sie verlangt eine prozentuale Zuzahlung der Patienten statt Facharztgebühr. Außerdem will sie, dass nicht das Krankengeld von Arbeitnehmern allein bezahlt, sondern der Zahnersatz privatisiert wird. In diesem Punkt jedoch hat Seehofer bereits für heftigen Streit auf Unionsseite gesorgt. Einig sind sich alle Beteiligten im Ziel: Kassenbeiträge von 13 Prozent.