Was ist ein www-Café?

Spielhölle oder Internet-Kaffeekränzchen? Das Oberverwaltungsgericht wollte sich dazu gestern nicht eindeutig festlegen und verwies die Kontrahenten aus Schöneberg in die nächsthöhere Instanz

VON SASCHA TEGTMEIER

Von der gediegenen Excel-Tabelle bis zum Ballerspiel „Counterstrike“ – die Kunden von Internetcafés dürfen prinzipiell alles machen, was ihnen moderne Computer ermöglichen und nicht verboten ist. Juristisch strittig ist jedoch, ob die Cafés mit ihrem Angebot an Computerspielen Spielhallen gleichzusetzen sind. Über diese Frage hat gestern das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) aufgrund der Klage der „Internet-Factory“ in Schöneberg verhandelt. Da es bisher weder gesetzliche Grundlagen noch Präzedenzfälle gibt, verwiesen die OVG-Richter die Kontrahenten, Factory-Geschäftsführer Jörn Löpelmann und das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, an die nächsthöhere Instanz. Kommt es dort zum Urteil, würde das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig über das Schicksal aller Webcafés in Deutschland urteilen.

Die entscheidende Frage ist, nach welchen Kriterien entschieden wird, ob ein Internetcafé als „spielhallenähnlicher Betrieb“ gilt oder nicht. Laut der Gewerbeordnung muss dazu der Gebrauch von Spielgeräten in dem Unternehmen „überwiegend“ sein. Das Problem sei, so die Berliner Richter, dass Computer „multifunktional“ seien. Daher fällt es den Behörden schwer zu entscheiden, ob ein Betrieb spielhallenähnlich ist oder nicht. Der Spielhallen-Status hätte für die Betreiber schmerzliche gewerberechtliche Konsequenzen. Zum einen hätten sie steuerliche Nachteile und müssten beispielsweise Vergnügungssteuer bezahlen. Zum anderen dürften dann dem Jugendschutz zufolge keine Kinder- und Jugendlichen unter achtzehn Jahren das Café betreten.

Wie stark Internetcafés von Jugendlichen abhängen und ob die Cafés vor allem zum Spielen genutzt werden, darüber gibt es noch keine Untersuchungen. Dennoch ist sich „Factory“-Anwalt Matthias Viereck sicher: „Kommt das Urteil, würde es bald keine Internet-Cafés mehr geben.“ Die würden an der steuerlichen Last kaputtgehen.

Das Berliner Landeskriminalamt (LKA) hat nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Jahren 400 Razzien in Internetcafés durchgeführt. Laut Kriminaloberrätin Gitta Huwe hat sich der Anteil der ausschließlichen Spielbetriebe, der Anfang 2002 ein Viertel der 150 Berliner Internetcafés ausmachte, „deutlich verringert“.

Löpelmanns „Factory“ wurde in den vergangenen drei Jahren viermal von der Polizei durchsucht, wurde vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg als „spielhallenähnlicher Betrieb“ eingestuft und sollte geschlossen werden. Dagegen klagte der 32-jährige „Factory“-Betreiber vor dem Verwaltungsgericht – und scheiterte. Dem Urteil liegt die Gewerbeverordnung aus dem Jahr 1960 zugrunde, als es statt Internet höchstens Kännchen Kaffee und einarmige Banditen gab.

Bis zum Urteil haben beide Parteien ein „Stillhalteabkommen“ getroffen, das heißt, bei Löpelmann darf zunächst weiter gechattet und geballert werden.