bildungspolitik
: Leiter des Runden Tisches begrüßt Kompromiss

„Chance für Bildungsreform“

Die Koalitionsvereinbarung führe zu mehr „Selektion“ und stehe damit im Widerspruch nicht nur zum SPD-Wahlprogramm, sondern auch zu den Empfehlungen des „Runden Tisches Bildung“, sagen die Kritiker von der GEW bis zu den Schülervertretern der GSV. Dem hat der Leiter des Runden Tischs, der Stuttgarter Pädagoge Wolfgang Harder, jetzt deutlich widersprochen. In einem Brief an den Bildungssenator Willi Lemke stellt Harder fest, er sei nach Lektüre des vollen Textes der Koalitionsvereinbarung „ermutigt und optimistisch“, dass die „umfassende Schul- und Bildungsreform“, an der der Runde Tisch beteiligt sei, fortgesetzt werden könne.

Konkret findet Harder „alle zehn Empfehlungen des Runden Tisches“ in den Koalitionsvereinbarungen wieder. Lernen in heterogenen Gruppe, jahrgangsübergreifende Lerngruppen in der Grundschule, ein „Bildungsplan“ auch für die Kita, Stärkung der Schulleitungen – das sei alles im Sinne des „Runden Tisches“. Entscheidend für Harder ist zudem die flächendeckende „Verbindung von Haupt- und Realschulen“. Im Ergebnis würde „mehr als zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler in Bremen in integrierten oder teilintegrierten Bildungsgängen unterrichtet“.

Die Schulstruktur sei kein Wert an sich, entscheidend sei die Lernkultur. Das neue bremische System sei „offen für produktive Weiterentwicklungen“, lobt Harder, und das bei „konsequenter Nachfrageorientierung: Die Eltern werden gemeinsam mit ihren Kindern durch eine Abstimmung mit den Füßen in den kommenden Jahren die Hauptstraßen wie die Nebenwege im Bremer Schulsysteme festlegen.“

Dass gleichzeitig wieder durchgängige Gymnasien ab der Klasse 5 anwählbar sein sollen, nimmt Harder „als Preis“ dafür in Kauf. „Wir werden das Gymnasium nicht abschaffen in Deutschland“, sagt er. Wenn das Abitur nach 12 Schuljahren zur Regel werde, dann sei die Durchlässigkeit hin zum Gymnasium sowieso „außerordentlich erschwert“. Schülern mit gutem Realschulabschluss bliebe die Möglichkeit, in die Oberstufe zu gehen und nach 13 Jahren Abi zu machen.

„Mich interessiert das andere“, erklärt Harder gegenüber der taz, eben die Förderungsmöglichkeiten für zwei Drittel der Schüler – und vor allem für die Leistungsschwächeren. Dieser Aspekt sei ihm „den Preis wert“. Die sechsjährige Grundschule hält er nicht für ein zukunftsträchtiges Modell, weil die Gymnasial-Kinder diese Schule eben nach der vierten Klasse verlassen. Langfristig werde es in Deutschland ein „zweigliedriges System geben, prognostiziert Harder.

Er regt in dem Brief an Lemke an, dass der Runde Tisch wieder zusammen gerufen wird, um Empfehlungen zu den geplanten schulstrukturellen Änderungen zu erarbeiten. kawe