Der CDU sind Inhalte zu teuer

Drei Kreisvorsitzende und der Chef der Jungen Union kritisieren: Januar 2004 zu spät für inhaltliche Diskussion. Termin zudem überlagert von Kandidatenwahl für EU-Parlament. Thesenpapiere liegen teilweise bereits seit Jahresbeginn vor

Gut Ding will Weile haben. Der CDU-Landesvorstand beherzigt diese Regel zu sehr, meinen mehrere Kreisvorsitzende der Partei und der Chef der Jungen Union. Ihnen missfällt, dass sich ein Parteitag zu inhaltlichen Fragen verzögert. Bereits im Herbst 2002 hatte die CDU vier Kommissionen – zu Hauptstadtrolle, Bildung, Wirtschaft und sozialer Stadt – eingesetzt, um inhaltlich voranzukommen. Deren Papiere lagen teilweise schon in diesem Januar vor. Thema eines Parteitags sollen sie aber erst im Januar 2004 sein – ein ganzes Jahr später. Zudem werden beim gleichen Termin die Kandidaten für die Europawahl bestimmt.

„Wir verpassen da eine Chance“, sagt Stephan Tromp, Kreisvorsitzender in Mitte und Chef der Hauptstadtkommission. „Es ist sehr bedauerlich, dass wir es nicht schaffen, einen Parteitag allein zu Inhalten hinzubekommen.“ Tromp selbst hatte zwar im April angeregt, die Papiere der Kommissionen nicht beim Parteitag Ende Mai zu besprechen, „weil sie dort durch die Vorstandswahlen an den Rand gedrängt worden wären“. Ihm schwebte jedoch ein Sonderparteitag bereits im Herbst vor.

„Sehr bedauerlich“ ist es daher für einen weiteren Kreischef, dass der nächste Parteitag nicht für inhaltliche Debatten freigehalten, sondern für Wahlen genutzt wird. Neuköllns CDU-Kreisvorsitzender Wolfgang Branoner wird mit dem Vorwurf zitiert, die Partei hinke programmatisch hinterher.

Den Januar-Termin begründet CDU-Sprecher Matthias Wambach damit, dass man Beschlüsse des Bundesparteitags Ende November abwarten wolle. Dass es nicht je einen Parteitag zu Kandidatenwahl und zu Inhalten gibt, ist für ihn auch eine Kostenfrage.

Dem widerspricht der neu gewählte Landesvorsitzende des Parteinachwuchses Junge Union, Tim Peters: „Wenn es nur an den Finanzen liegt, müssen wir eben einen Low-Budget-Parteitag machen.“ Die Partei müsse wieder mit Inhalten in der Öffentlichkeit auftauchen, fordert Peters. Kritiker aber befürchten, dass das nicht klappt, wenn es zugleich um die Nominierungen für die Europawahl geht.

Zumal sich angeblich eine Kampfabstimmung über den einzig sicheren Platz auf der Berliner CDU-Liste anbahnt. Ingo Schmitt, Exstaatssekretär und seit 1999 EU-Parlamentarier, will nach Auskunft seines Brüsseler Büros wieder antreten. Dem Berliner Kurier zufolge drängt es aber auch den früheren Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Frank Steffel, auf diesen Posten.

Von ihm heißt es, er habe sich in seiner neuen Rolle als einfacher Landesparlamentarier noch nicht gefunden. Nach Fraktionsangaben fehlte er vor zwei Wochen entschuldigt im Plenum wie auch am Dienstag bei der Sitzung der Fraktion. Deren Sprecher Michael Thiedemann dementierte Europa-Ambitionen Steffels: „Ich habe noch nie so etwas von ihm gehört.“

Unabhängig davon könnte schon der finanzielle Aspekt CDU-Politiker zur Kandidatur gegen Schmitt reizen: Ein deutscher Europaparlamentarier erhält gut 7.000 Euro an Diäten, mehr als doppelt so viel wie ein Mitglied des Abgeordnetenhauses. STEFAN ALBERTI