berliner szenen Begegnung

Nachts an der Tankstelle

In der Nacht ging ich zur Tankstelle. Es war halb zwei, schön kalt und kaum jemand auf der Straße. Ich dachte an B., der gesagt hatte, das Tolle am Nichtrauchen sei ja, dass man nachts nicht mehr wegen Nachschub aus der Wohnung rausmüsse. Ich geh aber gern aus meiner Wohnung. Wenn ich heimlich aufhören würde zu rauchen, würde ich die nächtlichen Spaziergänge zur Tankstelle vermissen.

Seit vielen Jahren schon gehe ich immer wieder zu dieser Tankstelle; nicht wirklich häufig, aber regelmäßig. Das verleiht meinem Leben eine gewisse Stabilität. Ich freue mich, dass mich die Verkäuferin erkennt. Es ist fast immer dieselbe, eine kleine, fast hagere Frau, Ende vierzig. Wir lächeln uns an und sagen „Guten Abend“. Sie legt mir meine Zigarettensorte auf den Tresen, noch bevor ich einen konkreten Wunsch geäußert habe. Sie freut sich, glaube ich, darüber, dass sie sich daran erinnert, was für eine Zigarettensorte ich rauche und dass sie so schnell ist. Ich finde das auch schön. Einmal hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn wir zusammenwohnen würden. Aber das ist Quatsch.

Im Tankstellenladen war ein Betrunkener, vielleicht fünfzig. Er roch nach Bier und Pisse. Die Anziehsachen, die er trug, waren ein bisschen schmutzig. Die Verkäuferin bediente ihn höflich. Nur andeutungsweise drehte sie ihre Augen nach oben. Während ich meine Zigaretten bezahlte, schwankte er langsam heraus.

Draußen stand er neben den Zapfsäulen und bot mir von seinem Bier an. Er war unternehmungslustig und beschwerte sich darüber, dass die Straßen so leer waren. Ich sagte, dann musst du zur Bergmannstraße gehen, da ist immer was los, und er sagte mehrmals: „Wer die Nacht nicht kennt, hat die Welt verpennt.“

DETLEF KUHLBRODT