Falsche Zeit, falsches Land, falscher Name

Wer David Nelson heißt, hat auf US-amerikanischen Flughäfen ein Problem: Er gilt den FBI-Ermittlern als Terrorist

David Nelson dürfte seit den Terroranschlägen vom 11. September gleichzeitig zum größten Erfolg und zum größten Misserfolg der US-amerikanischen Fahndungsbehörden geworden sein. Fast täglich geht ihnen der gesuchte Terrorist in die Falle, und immer wieder müssen sie ihn laufen lassen.

David Nelson hat viele Gesichter. Und er hat es verdammt schwer. Wenn David Nelson zum Flugschalter geht, wird ihm in der Regel bedeutet zu warten. Dann kommen Sicherheitsleute der Fluggesellschaft oder gleich das FBI, um ihn zu befragen und sein Gepäck zu durchsuchen. Vielleicht sagen sie ihm sogar, dass sein Name auf der hochgeheimen schwarzen Liste von Terrorverdächtigen steht, die auf keinen Fall in ein Flugzeug gelassen werden. Manchmal wird David Nelson aber auch gar nichts erklärt. Dafür wird er ein zweites Mal durchsucht, sobald er den Metalldetektor durchschritten hat, und ein drittes Mal beim Vorzeigen der Bordkarte.

Das FBI sucht einen David Nelson als Terroristen – und alle David Nelsons müssen mittlerweile für den Check-in eine Stunde extra einplanen, auch Familienbegleitung macht einen David Nelson nicht unverdächtiger. Die Frau von Filmproduzent David Nelson besteht inzwischen darauf, nicht mehr mit ihm zusammenzusitzen. Die Kinder sollen nicht jedes Mal mitbekommen, wie ihr Vater aus dem Flugzeug geholt wird. Das passierte auch David Nelson aus Hollywood, der per Lautprecher zum Verlassen des Flugzeugs aufgerufen wurde. Vor dem Flugzeug zog ihm das FBI die Schuhe aus und durchsuchte sein Handgepäck. Ein paar Monate später, auf dem Weg nach Hawaii, stöhnte schon die Frau am Schalter: „Oh nein, schon wieder ein David Nelson.“ Zwei weitere Durchsuchungen später gab Nelson entnervt auf und ging nach Hause. Wie viele seiner Namensbrüder versucht er gar nicht mehr, seinen Namen von der Liste streichen zu lassen, er ist seitdem nie wieder geflogen.

Allein in Los Angeles haben sich bereits sechs Davis Nelsons über Schikane beklagt, weitere 18 in Oregon, vier in Alaska. Mancher David Nelson ist schon darauf gefasst, wegen seines Namens festgenommen zu werden

David Nelson aus Washington, D. C., arbeitet für den Kongress auf dem Capitol Hill und sollte über jeden Verdacht erhaben sein. Seine Fragestunden beim Sicherheitspersonal sind mittlerweile von 40 Minuten direkt nach dem 11. September immerhin auf 10 Minuten gesunken.

Die US-amerikanische Transportation Security Administration (TSA) gibt mittlerweile zu, dass ihr Sicherheitssystem Capps I „nicht perfekt“ ist. Das Update auf Capps II soll nicht nur die Namen von Passagieren berücksichtigen, sondern jeden Fluggast per streng geheimen Algorithmus als hohes oder geringes Sicherheitsrisiko einstufen. In die Bewertung fließt die Kreditwürdigkeit ebenso ein wie der Besitz eines One-Way-Tickets (verdächtig) und der Ticketkauf mit Bargeld (sehr verdächtig). Außerdem sollen Namen, Geburtstage, Adressen und Telefonnummern gespeichert werden. Bürgerrechtsgruppen haben erste Klagen gegen die Sammelwut eingereicht.

Dabei ist es für David Nelson eigentlich ganz einfach. Er sucht sich einfach aus dem Telefonbuch einen Namensvetter und bucht zwei Plätze. Mindestens einer sollte dann durchkommen.

NICOLAI KWASNIEWSKI