Toledo versucht eine Kehrtwende in Peru

Nach dem Rücktritt der Regierung will Präsident Toledo mit neuer Mannschaft die verpatzte Amtszeit retten

BUENOS AIRES taz ■ Es gibt Momente, da klappt einfach gar nichts. Im Falle von Alejandro Toledo, Präsident von Peru, ist das schon fast seit seinem Amtsantritt vor 23 Monaten der Fall. Seine Regierung? Ein Durcheinander. Seine Partei? Ein notdürftig zusammengehaltener politischer Club. Seine Minister? Wissen auch nicht, wie weiter.

Jetzt hat Toledo zum Befreiungsschlag ausgeholt. Wie so oft, wenn Toledo über seine Regierung spricht, benutzte er dafür große Worte: „Es ist der Moment gekommen, an dem wir eine Wende machen müssen und Peru als Ganzes betrachten müssen“, sagte er – als wäre er im Wahlkampf.

Was kommt, ist längst bekannt: Eine Kabinettsumbildung steht unmittelbar bevor. Am 23. Juni haben seine Minister geschlossen den Rücktritt eingereicht, eigentlich ein formaler Akt. Schon im vergangenen Jahr haben sie das getan, um Toledo die Möglichkeit zu geben, die Richtung seiner Politik zu korrigieren. Diesmal will er die Chance nutzen. Er wolle unabhängige Minister in sein Kabinett berufen, hieß es aus seinem Umfeld – ein Eingeständnis, dass es so nicht weitergehen kann. Allein die vergangenen Wochen waren aufreibend genug für den einstigen Hoffnungsträger.

Ende Mai rief er den Staatsnotstand aus, weil Streiks und Straßensperren das Land lahm legten. Das Militär ging zusammen mit der Polizei gegen Demonstranten vor. Erinnerungen wurden wach an die zehn Amtsjahre des autoritären Präsidenten Alberto Fujimori. Tage darauf kam es in vielen Städten zu Straßenschlachten, in der im Süden gelegenen Stadt Puno kam dabei ein Student ums Leben. Als der Streik der Lehrer – die während Fujimoris Amtszeit aus Furcht vor der Repression nie gestreikt hatten – zu Ende war, ging ein Ruck durch Peru: Es wurde gefordert, Toledo solle sich selbst und seinen Ministern das Gehalt kürzen. Er tat, wie ihm befohlen.

Als Toledo endlich meinte durchatmen zu können, wurden über 70 Arbeiter eines Pipelinebautrupps von Mitgliedern der zerschlagen geglaubten Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ gekidnappt. Tage nach ihrer Befreiung zwang der Kongress Toledo, für eine Reise in die USA mit einer Linienmaschine zu fliegen und das Ticket selbst zu bezahlen. Und vor gut zwei Wochen schickte er eine Steuerreform in den Kongress, die allenthalben auf herbe Kritik stieß.

Viele Probleme sind hausgemacht. Toledo hat zu Beginn seiner Amtszeit den Mund zu voll genommen und allen alles versprochen. Ihm fehlt eine klare Linie bei seinen Regierungsentscheidungen. Er eiert tagelang hin und her, sagt etwas, um es dann wieder zurückzunehmen.

Es rächt sich jetzt auch, dass er keine richtige Partei hinter sich hat. Sein Verein „Peru Posible“ ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die als Oppositionsbündnis gegen Fujimori funktioniert hat. Aber als Regierungspartei fehlt ihr jede politische Linie und Erfahrung.

Dabei kann Toledo durchaus Erfolge aufweisen. Er hat damit begonnen, das Land zu dezentralisieren, und er hat Länder und Regionen mit eigenen Regierungen gegründet. Er hat eine Wahrheitskommission eingerichtet, welche die Menschenrechtsverletzungen der Zeit des Terrorismus aufarbeitet. Und er hat im vergangenen Jahr mehr als 5 Prozent Wirtschaftswachstum erzielt und liegt damit an der Weltspitze. Aber er ist eben auch Weltmeister darin, sich selbst ein Bein zu stellen.

INGO MALCHER