Briten jetzt auch im Visier

Nach dem Tod von sechs Soldaten werden weitere Anschläge im Südirak befürchtet

Iraker zeigen sich empört über britische Hausdurchsuchungen nach Waffen

AMARAH/BERLIN rtr/taz ■ Die sechs am Dienstag im Irak getöteten britischen Soldaten sind nach Angaben des britischen Militärs von Zivilisten erschossen worden. „Dies war klarer Mord“, sagte ein Armeesprecher gestern an einem britischen Militärstützpunkt nahe Amarah im Süden Iraks mit Blick auf die am Vortag in der überwiegend von konservativen Schiiten bewohnten Ortschaft Madschar getöteten Soldaten. Damit reagierte er auf Äußerungen von Bewohnern, wonach die britischen Soldaten sie bei der Suche nach Waffen provoziert hätten. „Diese britischen Soldaten sind mit ihren Hunden gekommen und haben ihre Waffen auf Frauen und Kinder gerichtet. Als Muslime können wir Hunde in unseren Häusern nicht akzeptieren“, sagte ein Bewohner der Ortschaft.

Nach Angaben des britischen Armeesprechers sind die Soldaten nach dem Angriff in dem von Briten kontrollierten Teil im Südirak in erhöhter Alarmbereitschaft. „Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verschärft.“ Die britische Regierung hatte am Dienstag mitgeteilt, dass bei zwei verschiedenen Zwischenfällen sechs Soldaten getötet und acht verletzt wurden. In Madschar kamen nach Berichten von Augenzeugen auch mindestens vier Iraker ums Leben.

Bei den getöteten Briten handelt es sich um Mitglieder der Königlichen Militärpolizei, die irakische Polizisten ausbilden sollten. Irakischen Angaben zufolge gab die britische Armee zivilen politischen Führern im Südirak 48 Stunden Zeit, um die Angreifer zu übergeben. Qassem Nimeh, ein Mitarbeiter des örtlichen Bürgermeisteramtes, sagte gegenüber der britischen Agentur PA, die Militärs hätten sich nicht dazu geäußert, was nach Ablauf der Frist geschehen werde.

Die energische Vorgehensweise der britischen Soldaten bei ihrer seit Tagen andauernden Suche nach Waffen war bei den Irakern auf heftige Kritik gestoßen. „Ein britischer Soldat nahm die Unterwäsche einer Frau und zog sie auseinander. Wie können wir so etwas als Muslime und Schiiten tolerieren?“, fragte ein schiitischer Augenzeuge aus Madschar. Unter der Herrschaft Saddam Husseins war die schiitische Bevölkerungsmehrheit zum Teil brutal unterdrückt worden.

Seit US-Präsident George W. Bush am 1. Mai das Ende der Hauptkampfhandlungen im Irak erklärt hatte, sind dort zahlreiche US-Soldaten bei Angriffen getötet worden. Das US-Militär macht Anhänger des gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein dafür verantwortlich. Die Angriffe haben in diesem Monat an Zahl und Schärfe zugenommen. Allerdings richteten sie sich bislang gegen US-Soldaten in der Region um Bagdad.

Nun befürchten die britischen Soldaten, dass auch sie künftig Ziel von Guerillaangriffen werden könnten. Verteidigungsexperten, die von der britischen Zeitung Evening Standard befragt wurden, sprechen von mindestens drei militanten Gruppen in der Gegend um Amarah. Eine von ihnen stehe loyal zu Saddam Hussein und wolle sich für den Sturz seines Regimes rächen. Bei den beiden anderen handele es sich um Banden, die um die Kontrolle lukrativer neuer Märkte hinsichtlich des Schmuggels von Drogen und Personen kämpften. Bereits vor mehreren Wochen hatte ein lokaler irakischer Führer, Abu Hatim, laut PA vor Anschlägen gegen britische Soldaten gewarnt, falls die Region nicht bald den Irakern übergeben werde. B.S.