theater
: Monolog über das Nichts in der Kunst

Irgendwer wird 1947 in Lille geboren: Nennen wir ihn Philippe Dussaert. 1966 geht dieser Dussaert an die Kunstakademie nach Paris. Dort kopiert er, von der Studentenrevolte unberührt, im Louvre alte Meister. Und findet sein Thema: die „Tiefe“ der Bilder. Menschen sind wie Bäume, die den Blick auf den Wald verstellen, findet Dussaert, und lässt sie einfach weg. Er malt „Nach Mona Lisa“: den Hintergrund des bekannten Bildes ohne die Figur. Er malt Bouchers „Bad der Diana“ – ohne Diana. Er löscht Bilder aus, ohne die Leere neu zu füllen. Altmeisterliche Concept Art.

Eine Galeristin pusht ihn, er hat Erfolg. 1988 entsteht das Glanzstück: Dussaert lässt alles weg und nennt sein Werk „Nach allem“. Er schafft das Nichts. Aber: Ist das auch ein Kunstwerk? Das Nichts wird ausgestellt und kontrovers diskutiert: Für die Einen ist das Nichts die maximale Ökonomie der Mittel, für die Anderen Dussaert der maximale Scharlatan.

Am 6. Januar 1989 stirbt der Künstler an Multipler Sklerose. Und die Affaire Dussaert nimmt ihren Lauf: Das Nichts wird versteigert. Das New Yorker MoMa treibt den Preis auf acht Millionen Francs hoch, doch der französische Staat hat das Vorkaufsrecht. Das Nichts – jetzt ist es das ultimative Meisterwerk. Und steht als solches im Zentrum des Interesses: Ein belgischer Schriftsteller meldet sich zu Wort – er habe das Nichts erschaffen, Dussaert es ihm gestohlen. Weitere Plagiatsklagen folgen. Es kommt zum Skandal, zum Prozess, zum – nein, der Rest wird nicht verraten.

Ist es tatsächlich so gewesen? Und was sind die Kriterien zeitgenössischer Kunst? Eines ist jedenfalls klar: Der Monolog des Pariser Autors Jacques Mougenot über das Nichts im bürgerlichen Kunstbetrieb ist Gedankenartistik der allerfeinsten Art und seine deutschsprachige Erstaufführung am Theater im Bauturm das Beste, was Kölns freie Bühnen derzeit zu bieten haben. Jürgen D. Schirrmacher inszeniert das Stück als spannende Mischung aus Vorlesung und Conférence, Gerhardt Haag erzählt in geschliffener Sprache, zeigt erstaunliche Dias und fordert zum Mitdenken auf. Kompliment: So sieht intelligentes Theater aus!

HOLGER MÖHLMANN

„Die Affaire Dussaert“, Theater im Bauturm, Aachener Str. 24, Köln, Tel. 52 42 42, 15./16., 26.-29.5., 20 Uhr