: 3.000 Euro für leichte Tätigkeit
Drei Kreuzberger Künstler wollen mit Heimarbeit Geld verdienen, stoßen aber nur auf Betrüger. Sie erklären das Ganze daraufhin zum Projekt, jagen Briefkastenfirmen und suchen nach Heimarbeitern
VON CEM SEY
„Wir wollten nicht isoliert arbeiten. Das war der Anfang“, sagt Ulrike Ertl. Seit drei Monaten treffen sich drei junge Künstler täglich am Zentrum Kreuzberg: Ertl organisiert Veranstaltungen, ihr Bruder Martin ist Musiker und Rosa Russo fotografiert und vermittelt Kunst. Den Laden, den sie gemeinsam am Kottbusser Tor gemietet haben, nennen sie „Zentrum für gemeinsames Arbeiten“. Da sie vom Künstlersein nicht leben konnten, suchten sie sich Heimarbeit.
„Anzeigen gibt es überall“, sagt Ertl. Russo ergänzt: „Wir sagten uns, wenn wir uns schon ausbeuten lassen wollen, dann gemeinsam. Wir wollten andere Leute zusammenbringen, die sonst alleine in ihren Wohnungen Kugelschreiber zusammenbauen oder Schrauben verpacken.“
Den dreien schwebte ein Netzwerk vor, eine soziale Plattform, doch die Ernüchterung kam rasch. Sie haben weder Heimarbeit gefunden noch andere Menschen, die darin tätig sind. „Heimarbeit ist ein Phantom. Es gibt sie nicht“, sagt Ertl. „Auch keine Menschen, die sie ausüben – sondern nur viele, die sie suchen.“ Meist seien Menschen mit familiären Verpflichtungen oder mit körperlichen Behinderungen an Heimarbeit interessiert.
Da reifte die nächste Idee. In Nachbarschaft einer Moschee und verschiedener Werbeagenturen stürzten sie sich in eine Detektivarbeit. „Seitdem gehen wir spielerisch damit um“, meint Ertl. „Es ist ein Selbstversuch, mit dem wir auch anderen den Umgang mit dem eigenen Scheitern ermöglichen wollen.“
Die Künstler haben sich auf das Spiel eingelassen, das in Zeitungen und im Internet von zwielichtigen Unternehmen angeboten wird. Ihre Wahl fiel auf den Ableger einer britischen Firma, die „Maxilia“ mit Sitz in Mainz. Die ersten Schritte waren Telefongespräche mit 0190er Nummern, wo entweder lange Ansagen zu hören waren oder extrem langsam sprechende Frauen.
Immerhin haben sie nach mehreren Anläufen eine Broschüre über angebliche Hausarbeit erhalten – für 10 Euro. Aus der Broschüre sind sie aber auch nicht schlau geworden. Stattdessen mussten sie noch einmal 25 Euro in einem Briefumschlag schicken, um die Adressen der Firmen zu erhalten, die „Kugelschreiber-Zusammenschraub-Arbeiten“ vergeben. Das Geld war weg. Alles, was sie bekamen, war eine Liste der Handwerkskammern. Dort könne man wiederrum eine Liste aller Kugelschreiberproduzenten bestellen, so die Broschüre.
Die Nachfrage bei den Handwerkskammern hat ergeben, dass eine solche Liste gar nicht geführt wird. Den Handwerkskammern sei das Problem bekannt, erzählt Ulrike Ertl. Doch die Firmen hätten „geniale“ Strategien. „Man kann kaum etwas gegen sie unternehmen.“
Im Internet findet sich ein weites Spektrum möglicher Heimarbeiten, mehrere hundert Tätigkeiten werden angeboten: von Montagearbeiten bis hin zum Briefmarkenkleben.
Ertl fuhr schließlich sogar nach Mainz und postierte sich vor dem Postfach der Firma. Der Mann, der das Postfach leerte, wollte natürlich nichts von einer Firma „Maxilia“ wissen. Genauso wie die „Frau Meyer“ am Telefon sich an den Namen ihres Chefs nicht erinnern konnte.
„Wir wollen diesen Firmen menschlich entgegentreten“, sagt Ertl. Finanziell war die Aktion nicht vernünftig. Alle drei seien mehr oder weniger pleite, aber durch die Unterstützung des Quartiersmanagements führen sie die Verfolgung des Phantoms weiter. Und hoffen, irgendwann zu anderen Heimarbeitssuchenden Kontakt zu finden.
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