„Mission Impossible“

Die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe bedroht die Bienenvölker in ganz Europa. Auf der kroatischen Adria-Insel Unije wird versucht, Bienen zu züchten, die gegen die Milbe resistent sind

VON URS FITZE

Wacholderduft breitet sich aus, als Nikola Kezic mit ein paar Pumpbewegungen seines Rauchgeräts einen Stapel mit kleinen Kästchen aus Plastik einnebelt. Mehrere davon sind im Schatten der Wacholderbüsche aufgestellt. In jedem der Kästchen lebt eine Bienenkönigin mit ihrem Hofstaat. Der Veterinärprofessor von der Universität Zagreb öffnet eines behutsam. Er möchte eine der Königinnen zeigen. Nach einigen Minuten Sucherei zeigt sich die Königin schließlich inmitten einer ganzen Traube von Arbeiterinnen, von denen sie gefüttert wird. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie zu ihrem Hochzeitsflug aufbricht“, erklärt der Wissenschaftler.

Weit werden sie nicht fliegen müssen. Denn nur wenige dutzend Meter entfernt warten schon hunderte von Drohnen in großen Magazinkästen auf ihre Chance. Zum Zug kommen werden nur ein paar von ihnen. Doch das wird ausreichen, damit die Bienenkönigin in den kommenden drei bis vier Jahren mehrere Millionen Eier legen kann. Das Sperma der Männchen lagert sie dabei in einer Samenblase in ihrem Hinterleib. „Wir helfen der Natur ein bisschen nach“, schmunzelt Kezic. „Wir können einer Bienenkönigin nicht vorschreiben, mit welchen Drohen sie sich paart. Aber wir können immerhin dafür sorgen, dass die männlichen Bienen aus Völkern stammen, die wir als für unsere Zwecke geeignet erachten.“

Drohnen und Bienenköniginnen sind gleichermaßen auserwählt. Sie sind die Nachkommen von Völkern, die schon seit Jahren auf erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen die Varroa-Milbe ausgelesen werden. Der Parasit setzt den europäischen Bienen seit einem Vierteljahrhundert zu. Die Auswirkungen sind verheerend: In Deutschland werden die Verluste durch „Varroatose“ auf 15 bis 20 Prozent geschätzt.

Der rund 1,2 Millimeter große Schädling ernährt sich vom Bienenblut. Dabei überträgt die Milbe auch Krankheiten, die sich oft noch schlimmer auswirken als die Varroa-Milbe selber. Die Bekämpfung ist zwar möglich, aber sehr heikel, weil mitunter auch die Honigqualität empfindlich leiden kann. Zudem ist der Erfolg nur kurzfristig. Schon innerhalb weniger Monate kann eine neue Behandlung nötig werden.

„Wenn es uns gelingt, Bienen zu züchten, die selber fertig werden mit dem Schädling, haben wir das Problem für immer gelöst“, dachte sich Nikola Kezic schon vor Jahren. Er lancierte zusammen mit österreichischen und deutschen Kollegen 1999 einen Großversuch auf der in der nördlichen kroatischen Adria gelegenen Insel Unije. Das Eiland mit einer Fläche von 17 Quadratkilometern und gerade 100 Einwohnern erfüllte alle Voraussetzungen. Die Distanz zur nächsten Insel, Cres, beträgt rund fünf Kilometer. So weit fliegt keine Biene übers Wasser.

„Damit konnten wir sicher sein, dass die Varroa-Milbe sich nicht von Unije aus ausbreiten kann“, erklärt Kezic. Auf Unije selbst gelang es, den einzigen Imker der Insel in das Programm einzubinden und auch die anfänglich skeptische lokale Bevölkerung von der Notwendigkeit des Großversuchs zu überzeugen. Die Insel bietet auch wesentlich günstigere klimatische Voraussetzungen für die Bienenhaltung als im Norden.

„Es braucht mindestens ein Jahrhundert, bis sich eine Art auf die Bedrohung eines Schädlings eingestellt hat“, erklärt Nikola Kezic. „Wir möchten mit unserem Projekt diese Entwicklung auf ein Jahrzehnt verkürzen.“ Die asiatische Biene, Apis cerana, weiß schon seit Jahrtausenden mit der Varroa-Milbe umzugehen. Zwar macht der Parasit auch ihr zu schaffen. Doch in ihrer evolutionären Entwicklung hat die asiatische Biene Taktiken entwickelt, die Milbe dort zu treffen, wo es ihr am meisten schadet. Sie wehren sich etwa mit gegenseitiger Körperpflege: Die Milben werden dabei aus ihren Verstecken zwischen den Segmenten des Chitinpanzers am Hinterleib der Bienen herausgeholt und getötet. Durch diesen und andere Abwehrmechanismen gelingt es, die Zahl der Milben unterhalb der für das ganze Volk kritischen Größe zu halten.

Bei westlichen Bienen ist dieses Verhalten wenig ausgeprägt. Die westliche Bienenart Apis mellifera schlägt sich dagegen erst seit wenigen Jahrzehnten mit dem Parasiten herum, der sich vermutlich in Osteuropa im Gefolge von wandernden Imkern über die zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach Europa ausgebreitet hat. Nördlich der Alpen verbreitete sich Varroa ausgehend von einem hessischen Bieneninstitut, das mit asiatischen Bienen Zuchtversuche angestellt hatte.

Ohne Behandlung sind die Überlebenschancen bis heute gering. „Bond-Bees“ nannten die Forscher in Anspielung auf den Filmhelden die Millionen von Bienen, die auf die „Mission Impossible“ nach Unije geschickt wurden. Im ersten Projektjahr 1999 wütete die Varroa-Milbe mit verheerender Gewalt. Nur gerade fünf der 196 ausgesetzten Völker überlebten die Infektion mit je 270 Milben, die unter die rund 20.000 Bienen pro Volk gemischt worden waren.

Die Völker stammten aus verschiedenen Zuchtstationen in ganz Europa, wo sie bereits hinsichtlich ihrer Milbentoleranz selektiert worden waren. Doch mehr als Teilerfolge hatten sich damit nicht erzielen lassen. „Wir benötigen eine wesentlich breitere Versuchsanlage“, erklärt Kezic. „Nur so können wir wirkliche Fortschritte erwarten.“ Das große Opfer im ersten Jahr sei notwendig gewesen. „Wir brauchten Hinweise auf jene Völker, die das Potenzial hatten, der Varroa zu widerstehen.“

Im Jahr 2000 wurde das Projekt mit 117 Völkern in anderer Zusammensetzung nochmals lanciert. Doch Kezic ging es nicht nur ums reine Überleben der Bienen. Zweimal jährlich nehmen die Wissenschaftler jedes Volk genau unter die Lupe auf der Suche nach Hinweisen, die auf Varroa-Toleranz hindeuten. Nach und nach gelang es, die Überlebensrate zu steigern. Im Sommer vergangenen Jahres lebten noch 17 Völker der ersten Generation aus dem Jahr 2000. Aus ihnen wurden acht ausgewählt, um mit der kommerziellen Produktion von Königinnen zu beginnen.

Rund 1.000 Bienenköniginnen werden zum Preis von rund 25 Euro zusammen mit einigen Arbeiterinnen und einer Notration Zuckerlösung in eine kleine Schachtel verpackt, um Unije auf dem Postweg zu verlassen und um irgendwo in Europa als Speerspitze im Kampf gegen die Varroa-Milbe anzutreten. Die Abnehmer sind dabei aufgerufen, ihre Erfahrungen zu berichten. Eine Garantie, dass die Bienen eine Varroa-Infektion ohne Behandlung überleben, kann Nikola Kezic nicht abgeben. „Dazu ist es zu früh. Aber keine Biene in Europa ist von ihren genetischen Anlagen her so gut gewappnet gegen die Varroa-Milbe.“

Das Projekt läuft derweil weiter. Aktuell sind 100 Völker auf Unije angesiedelt. Sie und ihre Nachkommen werden auch in den kommenden Jahren ohne menschliche Hilfe mit der Varroa-Milbe zurechtkommen müssen. Wenn alles nach Plan läuft, so könnte vielleicht schon in einigen Jahren in Sachen Varroa Entwarnung gegeben werden.