Die Axxe des HipHop von Tobias Rapp

Surreal sexistisch & drogenselig

Das wahrscheinlich absurdeste Scharmützel im großen Dreißigjährigen Krieg, als den man HipHop mit seinen komplizierten Allianzen und verfeindeten Fürstentümern auch beschreiben könnte, dürfte die Fehde zwischen Eminem und Benzino sein, Letzterer selbst weißer Hautfarbe und ein leitender Redakteur des auflagenstärksten HipHop-Magazins The Source. Zuletzt grub er eine Aufnahme aus Eminems Teenager-Tagen aus, die belegen sollte, dass jener ein Rassist sei, und breitete diese These dann auf gut einem Dutzend Seiten aus. Hört man sich „D-12 World“ an, das neue Album von Eminem und seinen Detroiter Kumpels, so könnte man glatt zu dem Schluss kommen, dass Benzinos These so falsch gar nicht ist – wäre nicht die große Kunst des Übertreibens und Selbstpersiflierens schon immer eines der interessantesten und schönsten Momente im HipHop gewesen. Hier wird neunjährigen Jungs erklärt, dass man gar nicht früh genug anfangen könne, Drogen zu konsumieren, alte Damen zu überfallen und Sex mit Kleinwüchsigen zu haben. Das ist so sexistisch, drogenselig und Gewalt verherrlichend, dass es einem in einer surrealen Wendung die Freude an all diesen Stereotypen wiedergibt.

D-12: „D-12 World“ (Shady Records/ Universal)

Nicht die Welt, den HipHop retten

Ein paar wenige Fürstenhäuser des HipHop halten sich aus allen Händeln heraus und werden doch von allen Konfliktparteien respektiert, vielleicht weil sie einem alten Herrschergeschlecht entstammen und jenseits der tagesaktuellen Auseinandersetzungen an den grundsätzlichen Glaubensfragen arbeiten. „Pete Rock isn’t trying to save the world, just HipHop“ heißt das Motto von „Soul Survivor II“, dem ersten Album von Rock seit sieben Jahren. Schon damals hatte er sich als Soul Survivor inszeniert, als Überlebender des Goldenen Zeitalters; seine großen Tage als die eine Häfte der wunderbaren Pete Rock & C. L. Smooth waren vorbei, ihr eleganter jazzgetriebener Ostküstensound war nur noch eine blasse Erinnerung. Doch nun scheint Rock es sich auf seinem Anwesen bequem gemacht zu haben, Rapper aus allen Reichen machen ihm dort regelmäßig die Aufwartung, um über seine klassisch tiefer gelegten Funktracks zu rappen. Neben Slum Village und Pharoraoh Monch ist sogar sein alter Partner C. L. Smooth auf einem Stück zu hören. Nicht dass Rock mit „Soul Survivor II“ HipHop neu erfunden hätte. Das hat er vor langer Zeit schon. Er schreitet einfach weiter auf dem von ihm selbst gewiesenen Weg.

Pete Rock: „Soul Survivor II“ (Studio K 7/Rough Trade)

Über die Liebe zu ultrararem Funk

Das Erstaunliche an dem kalifornischen HipHop-Produzenten Madlib ist, wie er es geschafft hat, jener tiefschwarzen Sackgasse zu entkommen, in der der Independent-HipHop vom Tage seiner Geburt an steckte. Damals, es waren die mittleren Neunziger, inmitten der Erbfolgeschlachten, die auf das Goldene Zeitalter dieser Musik folgten und die Puff Daddy gewann, indem er HipHop in die erfolgreichste Popmusik des Planeten verwandelt, fand sich mit Indie-HipHop eine Sekte zusammen, die sich progressiv gab und doch konservativer kaum denkbar war. Bis heute ist Madlib der Einzige dieses Netzwerks, der es versteht, gerade aus der Selbstbeschränkung eines verkürzten HipHop-Verständnisses immer wieder neue Funken zu schlagen. Sein Yesterday’s New Quintet – eine Ein-Mann-Band, deren fünf Mitglieder alle Platz in Madlibs Sampler finden –, ist von tief empfundener Liebe zu den Breaks ultrararer Funk-Singles aus den Siebzigern durchdrungen. Und mit „Stevie“, einer Platte voller Stevie-Wonder-Coverversionen, lässt er seine Gruppe genau jenes wunderbar breit gekiffte Fender-Rhodes-Gedaddel einspielen, für dessen Authentizität bürgt, dass es sich anhört, als sei es in einem Pappkarton aufgenommen.

Yesterday’s New Quintet: „Stevie“ (Stones Throw/Rough Trade)