Ein rhythmisches Nichts

Halbfinale bei der Eurovision: Fünf von sechs Ländern des Balkans sind im Finale – aber die Schweiz wird Letzter

Toni Wachter, beim schweizerischen TV-Sender SRG für die Eurovision zuständig, schüttelte um halb zwei in der Nacht auf Donnerstag seinen Kopf, Ratlosigkeit nur mühsam verbergend: „Nun muss ich vielleicht doch zu dem Schluss kommen, dass dieses Ergebnis etwas mit dem Land zu tun haben könnte.“ Kein Mitglied in der EU, eher verschlossen denn schengenhaft – das ist die Lage. Und dafür hat der italienischstämmige Sänger mit seinem rätselhaft-fröhlichen Liedchen namens „Celebrate!“ die Höchststrafe verpasst bekommen: null Punkte (aus 33 Ländern): 36. und letzter Platz beim 49. Eurovision Song Contest in Istanbul.

Wachter erklärte, Piero, der Sänger, sei guter Dinge – was er nicht erwähnt: Stigmata werden erst viel später von den Gebrandmarkten begriffen. Dieses Resultat kriegt er nie mehr aus dem Lebenslauf radiert. Wäre es wenigstens Trash oder höherer Blödsinn gewesen, mit dem er abgefertigt wurde – aber nix da: „Celebrate!“ war einfach der beim neutralen Betrachter Entsetzen provozierende Versuch, aus einem rhythmischen Nichts mit Hilfe von Tanzeinlagen, Haargel und kessen, Anmache signalisierenden Seitenblicken ein akzeptables Etwas zu machen. Fehlgeschlagen: Der Mann (?) wird wieder als Frisör arbeiten müssen. Oder hat Toni Wachter doch Recht? Auffällig, dass das gesamte Baltikum auf der Strecke blieb – vom Balkan hingegen kamen fünf von sechs Acts ins Finale, selbst die mieseste Schnulze seit 47 Eurovisionsjahren, nämlich die des Kroaten. Zugucken muss jetzt nur Slowenien – das einzige Land, das aus den Ruinen Jugoslawiens in die EU auferstand. Überhaupt, die Länder der EU: Sieben dürfen nach Hause fahre, gäbe es von Istanbul noch Flüge in ihre Heimaten (gibt es aber nicht). Dänemark, Portugal, Finnland … musikalisch für zu leicht befunden, politisch womöglich für zu schwer.

Keinen Kommentar gab es von Ralph Siegel, der Maltas Song als Produzent etwas aufpeppte und deshalb am Samstag mit im Finale steht. Experten meinten, Siegel könnte Telefonfirmen fürs Massenvoting bezahlt haben. Aber wahrscheinlich sind alle wieder nur neidisch.

Bei der Pressekonferenz der zehn Halbfinalsieger sagten alle, dass sie sich freuen. Und die jugoslawischen Delegierten fingen einen Schlachtgesang an: „Jugoslawien, Jugoslawien, Jugoslawien“, skandierten sie durchaus erfreut. Über diesem Landstrich liegt einfach zu viel Amselfelder in der Luft. JAF