Scherf zwingt SPD ins Koalitionsbett

Bremens Bürgermeister Henning Scherf greift zum letzten Mittel und droht: Wenn die sozialdemokratische Basis den neuen Koalitionsvertrag mit der CDU nicht abnickt, „bin ich am Freitag weg“. Nach der Rücktrittsdrohung knicken die Genossen ein

aus Bremen SUSANNE GIEFFERS

„Wenn ihr euch alle so verhaltet, bin ich Freitag weg“, hat Henning Scherf, Bremer SPD-Bürgermeister, vorgestern Abend gedroht. Mit „ihr alle“ war die SPD-Basis gemeint – die befand gerade über den mit der CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag. Einen Abend zuvor hatte der SPD-Unterbezirk Bremen-Stadt den Vertrag abgelehnt. Die entscheidende Abstimmung steht morgen auf dem Landesparteitag an.

Dass es knapp werden könnte mit der Zustimmung der Basis, war allen klar. Zu wenig lässt der Koalitionsvertrag die zuvor vom Parteivolk lautstark eingeforderte „sozialdemokratische Handschrift“ erkennen. Beispiel Bildungspolitik: Die SPD wollte die sechsjährige Grundschule flächendeckend – laut Vertrag wird sie an gerade mal 6 von 73 Grundschulen eingeführt. Beispiel Naturschutz: Das Hollerland hinter der Bremer Uni wird nicht, wie die SPD ursprünglich versprochen hatte, komplett als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet gemeldet. Beispiel Kulturpolitik: Die allenthalben für unfähig befundene CDU-Kulturstaatsrätin bleibt im Amt, die von der Kulturszene favorisierte SPD-Expertin geht leer aus. Unterm Strich, so das Gemoser der Genossen, habe sich die Wahlverliererin CDU mehr durchgesetzt als die Gewinnerin SPD. Außerdem schmerzen die sozialdemokratische Seele die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Sparquoten, die im Sozialbereich unter anderem zur Folge haben, dass Beratungsstellen wie die Aids-Hilfe dichtgemacht werden.

Dass sie einiges zu hören bekommen würde, das wusste die SPD-Führung also, als sie in Bremen-Stadt erstmals Rede und Antwort stand. Als dann aber 93 Delegierte mit Nein zum Koalitionsvertrag stimmten und nur 80 mit Ja – da wurde der sonst so leutselige Scherf still, sagte gar nichts mehr, stand auf und ging. Einen Abend später drohte er unverhohlen mit Rücktritt. Mit Erfolg: Die Bremerhavener Genossen stimmten dem Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit zu. Inzwischen rechnen alle damit, dass es so auch beim Landesparteitag am Freitag ausgeht.

Auch die Stadtgenossen, denen ihre als Denkzettel gedachte Ohrfeige denn doch zu dick schien, bekamen nach Scherfs Abgang Angst vor der eigenen Courage. Einen anschließend behandelten Antrag auf Nachverhandlungen mit der CDU – eigentlich logische Folge aus der Ablehnung des bisher Erreichten – wiesen die meisten zurück.

Scherfs Erpressungstaktik dominierte bereits den Wahlkampf: Da mussten Rot-Grün-Sympathisanten schweigen, weil der Chef mit der CDU weitermachen wollte. Vielen Genossen bleibt nur die Hoffnung, dass Scherf sein Versprechen wahr macht, in zwei Jahren abzutreten. Dann sei es „vorbei mit der One-Man-Show“, so Stadt-SPD-Vize Frank Schmitz.