Kinder raus aus dem Militärdienst

Regierung unterstützt UN-Protokoll gegen Wehrpflicht unter 18. Kritiker monieren: „Freiwilliger“ Dienst weiter möglich

BERLIN taz ■ Der Pflichtwaffendienst für Kinder unter 18 wird nun auch in Deutschland verboten. Das Kabinett verabschiedete gestern einen Gesetzentwurf, mit dem das entsprechende Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert werden soll. Das Protokoll wurde bereits im Jahr 2000 von der UN-Generalversammlung beschlossen, seit Februar 2002 ist es in Kraft. Die Haken an dem schönen Protokoll: Kindersoldaten einzusetzen ist nur dort verboten, wo das Zusatzprotokoll ratifiziert wurde. Und: „Freiwillig“ dürfen Jugendliche doch schon ab 16 in den Armeedienst eintreten. Der entmutigendste Haken ist: Es wirkt nicht besonders. Der Kongo, dessen Kindersoldaten seit Wochen Schlagzeilen machen, war eines der ersten Länder, die das Protokoll ratifizierten.

Dass der freiwillige Waffendienst immer noch ab 16 Jahren erlaubt ist, ist unter anderem der deutschen Regierung zu verdanken. Als die UN das Mindestalter von 15 auf 18 Jahre hochsetzen wollte, wie es Kinderrechtsorganisationen gefordert hatten, stellten sich nicht nur asiatische und afrikanische Länder, sondern auch die USA, Großbritannien und Deutschland quer: Sie wollten nicht auf ihre jungen Schulabsolventen verzichten. Auch im jetzigen Gesetzentwurf zur Ratifizierung hält die Regierung an einem Mindesteintrittsalter von 17 Jahren fest, wie es heute bereits gilt. „Diese Lösung ermöglicht es Jugendlichen, unmittelbar im Anschluss an ihre (Schul-) Ausbildung den Wehrdienst abzuleisten. Wartezeiten von einem halben Jahr oder länger bleiben ihnen damit erspart“, begründet das Justizministerium die Entscheidung.

Das ist äußerst national gedacht, kritisieren Kinderrechtsorganisationen. Terre des Hommes, Unicef oder World Vision hatten in einer „Straight 18“-Kampagne immer wieder gefordert, das Alter bei 18 Jahren festzusetzen, um ein weltweites Signal zu setzen. Kindersoldaten-Experte Kurt Bangert von World Vision appelliert immer noch an das Parlament, diesen Gesetzentwurf zu verändern: „Wegen der rund 250 Freiwilligen, die pro Jahr rekrutiert werden und ohnehin erst eine Berufsausbildung durchlaufen müssen, macht es keinen Sinn, den weltweiten Standard von 18 Jahren zu unterlaufen“, sagte Bangert angesichts der bevorstehenden Ratifizierung. „Die Bundestagsabgeordneten sollten sich vom Verteidigungsministerium nicht vorschreiben lassen, wie sie zu entscheiden wünschen.“ Dass das die Abgeordneten beeindruckt, ist nicht sehr wahrscheinlich. Denn die Regierung hat ihre Sturheit mit einem kleinen Lichtblick garniert, der alles und nichts heißen kann, aber das Bauchweh menschenrechtsorientierter Abgeordneter beruhigen soll: „Die Diskussion darüber, ob auch beim freiwilligen Eintritt in die Bundeswehr das Mindesalter auf 18 Jahre festgelegt werden sollte, soll nach der Strukturreform der Bundeswehr wieder aufgenommen werden,“ verspricht die Justizministerin.

Weltweit soll es etwa eine halbe Million Kindersoldaten geben, im Einsatz sind mehrere hunderttausend von ihnen. Im Kongo sind derzeit tausende Kindersoldaten unterwegs. Dabei hatte gerade der Kongo sich viel von der Ratifizierung des Protokolls versprochen: 2002 hatte Regierungschef Joseph Kabila 3.000 Kindersoldaten aus der damaligen Regierungsarmee entfernen lassen und ihre Resozialisierung auf einer Farm angeordnet. Schon damals war das Vorhaben alles andere als leicht: Den Exsoldaten, so hieß es in Presseberichten, gefiel das Zivilistenleben mit all seinen Regeln, die man plötzlich wieder befolgen sollte, ganz und gar nicht.

HEIDE OESTREICH