Erde bebt in Costa Rica

Tote und Dutzende Vermisste bei Erdbeben im zentralen Hochland. USA und Kolumbien schicken Helikopter

WIEN taz ■ Mindestens 27 Todesopfer forderte ein schweres Erdbeben, das am Donnerstag das mittelamerikanische Costa Rica getroffen hat. Das Beben der Stärke 6,2 auf der Richterskala erschütterte das zentrale Hochland mit der Hauptstadt San José. Drei weitere Provinzhauptstädte liegen ebenfalls hier.

Vier der bisher identifizierten Toten stammen aus dem benachbarten Nicaragua, Ursprungsland der meisten Arbeitsmigranten. Fünf Briten gelten als vermisst. Das Epizentrum lag unweit des Vulkans Poás in der Provinz Alajuela, rund 40 Kilometer nördlich von San José. Das Dorf Cinchona de Alajuela wurde völlig verwüstet. Die Schule diente als Leichenschauhaus. Über 2.000 Obdachlose mussten auf elf Notunterkünfte verteilt werden. Mehr als hundert Verletzte wurden in den Krankenhäusern verarztet. Rund 60 Menschen werden nach offiziellen Angaben noch vermisst.

Die Zahl der Opfer ist ungewiss, da die Insassen mehrerer in Schluchten abgestürzter Busse noch nicht geborgen werden konnten. Einige der besonders betroffenen Dörfer sind durch Erdrutsche und beschädigte Straßen vorerst noch von der Außenwelt abgeschnitten. Diese sollen jetzt aus der Luft versorgt werden.

Die USA schickten vier Militärhubschrauber aus einer Basis in Honduras, um bei der Evakuierung und bei Versorgungstransporten zu helfen. Auch Kolumbien steuerte einen Kriegshelikopter für die Instandsetzung der Telefonleitungen bei. Aber auch zahlreiche Landsleute und einige Unternehmen leisten durch Spenden oder Wiederherstellung der Infrastruktur ihren Beitrag zur Versorgung der Geschädigten. Währenddessen warnt die Polizei vor weiteren Gefahren. So wurde der Río Seco durch eine Schlammlawine so aufgestaut, dass jederzeit mit einer Überflutung der angrenzenden Landstriche zu rechnen ist.

Rund um den Vulkan Poás werden enorme Umweltschäden befürchtet. Abgerutschter Primärwald hinterließ kahle Hänge, die Regen nicht aufnehmen können. Das Ökosystem wird nachhaltig gestört sein. Costa Rica ist wie fast ganz Zentralamerika hochtektonisches Gebiet, seismische Bewegungen sind daher keine Seltenheit.

Obwohl das Erdbeben deutlich schwächer war als die, die 1972 Managua zerstörten, 1985 in Mexiko Stadt 30.000 Menschen begruben oder 1982 das Zentrum von San Salvador verwüsteten, legen die Schäden offen, dass Costa Rica, welches sich gern als die „Schweiz Zentralamerikas“ bezeichnen lässt, die Armut nicht ausgerottet hat. Die meisten der 400 eingestürzten Häuser lagen am Rand von Abhängen oder auf tektonischem Gelände, wo keine Baugenehmigung erteilt werden dürfte.

RALF LEONHARD