„Die stumpfen nur ab“

Dana Lüddemann über Pisa, Bildungspolitik und anderes Lernen

taz: Frau Lüddemann, am Freitag gehen Schüler zusammen mit Eltern und Lehrern auf die Straße. Protestieren. Warum eigentlich?

Dana Lüddemann: Nach der Pisa-Studie gab es großes Geschrei, vor allem von Seiten der Politiker. Als hätte Pisa zum ersten Mal gezeigt, was falsch läuft an den Schulen! Aber so richtig besser geworden ist seitdem nichts. Deswegen wollen wir in Berlin und anderen Städten gegen den Stillstand demonstrieren und gleichzeitig zeigen, was man alles anders machen könnte.

Sie probieren anderes Lernen aus?

Es kommt immer darauf an, für was sich die jeweilige Stadt und Schule entschieden hat. Schüler und Lehrer können zeigen, wie Lernen besser geht. Zum Beispiel könnte man die Tage vor den Ferien nutzen, um Lernprojekte zu machen, ohne auf den Stundenplan zu gucken.

Und die Rolle der Lehrer?

Die müssen ganz anders werden. Die Autorität der Lehrer kommt oft nicht aus ihrem Wissen oder ihrem Talent fürs Lehren, sondern von den Repressalien, die sie ausüben können. Das muss sich ändern. Genau wie die strikten Lehrpläne und Stundentafeln, die alles penibel festlegen, und natürlich die schlechte Ausstattung der Schulen.

Hat sich denn seit Pisa wirklich gar nichts getan? Die Kultusminister verweisen immer stolz auf die vielen Beschlüsse, die sie schon gefasst haben.

Auf dem Papier vielleicht. Die Kultusminister wollen einen Fächerkanon vorschreiben, im Abitur sollen bestimmte Fächer Pflicht sein und die Schulzeit wird auf 12 Jahre verkürzt. Mehr Freiheiten, wie sie die Schule dringend braucht, wird es nicht geben. So kann man die Zahl der Sitzenbleiber nicht absenken.

Warum wäre das so wichtig?

Es ist doch Quatsch, wegen zwei schlechter Noten ein Jahr alle Fächer zu wiederholen. Eine so hohe Sitzenbleiberquote gibt es nur in Deutschland. Man hofft darauf, dass die Sitzenbleiber im nächsten Jahr besser drauf sind. Dabei stumpfen die nur ab.

Heute wollen sich der Kanzler und die Ministerpräsidenten treffen, um über Bildung zu reden.

Da kommt nix bei raus. Das ist wie bei der KMK. Da wird viel geredet, und am Ende streitet man sich doch bloß darüber, wer die Verantwortung tragen soll.

Die Kulturhoheit soll diesmal eindeutig geregelt werden. Die Länder wollen für Schulen und Hochschulen ganz allein zuständig sein. Was versprechen Sie sich davon?

Nichts. Es ist doch klar, was dahinter steckt. Der Bund will sich finanziell entlasten und die Länder fallen hinten runter. Den Berlinern bleibt doch schon jetzt nichts anderes übrig, als beim Kanzler um Subventionen zu betteln. Eine alleinige Zuständigkeit der Länder für Bildung wird die Probleme nicht lösen. Bayern hat bereits jetzt besser ausgestattete Schulen, in Zukunft wäre der Abstand noch größer. Über Zuständigkeiten fallen also nicht die grundlegenden Beschlüsse, die die Schule braucht.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER