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: Himmlisches aus dem Keller

Manchmal fallen Jubiläen ja zusammen: 15 Jahre gibt es das Horizont Theater am Kölner Eigelstein, doch die dort praktizierte Spielform ist stolze 280 Jahre alt. Als 1724 auf dem Pariser Jahrmarkt die komische Oper geboren wurde, geschah dies aus der Not heraus: Das Staatsschauspiel hatte ein Sprechverbot für die kleinen Bühnenbuden erwirkt, also bestachen deren Besitzer die Oper, um wenigstens Singspiele aufführen zu dürfen. Mit Erfolg: Harlekin, Pierrot und andere Witzfiguren sangen von nun an ihre Texte auf die Melodien altbekannter Gassenhauer, unterbrochen nur von wenigen Dialogen, die sich die Schauspieler allen Verboten zum Trotz leisteten.

Erstaunlich, dass diese archaische Theaterform ausgerechnet in einem Kölner Keller überlebt hat. Doch dem Publikum der Jubiläumskomödie „Himmelnochmal“, in der Horizont-Autor Thomas Bleidiek Figuren aus früheren Stücken in einem Beerdigungsinstitut zusammenführt, drängt sich genau dieser Eindruck auf.

Hier lebt sie noch, die versunkene Welt des Opéra Comique: Türen klappen auf und zu, Menschen werden von Blumentöpfen erschlagen, Frauen tragen großgemusterte Hosenanzüge und giftgrüne Pumps. Im Feng-Shui-Klo quietscht der Deckel, ein Telefon namens Inge schluchzt in seine Schaltkreise, ein Pfarrer aus dem Westfälischen integriert via Zwergpapagei die Dritte Welt in eine Empfängnispantomime. Ein Engel steigt hernieder, weiß und naiv wie Pierrot, bekommt die Flügel abgenommen und verschwindet mit der Bestatterin in der Dusche. Alle drei Minuten ertönt – wie weiland im Vaudeville – ein Couplet, gern auf beliebte Operettenmelodien: Aus Zellers „Christl von der Post“ wird „Mizzi auf der Flucht“, Liebe reimt sich auf Triebe, Plüsch auf Gebüsch. Das alles ist so bewusst albern und gut gemeint grotesk, dass es im Peinlichkeitszentrum mächtig weh tut.

Wunder gibt es immer wieder, heißt es in einem Schlager, der sich ebenfalls trefflich für die horizontale Verwurstung eignen würde. Doch es gibt auch das immerwährende Wundern über ein lebendes Theaterfossil.

HOLGER MÖHLMANN

„Himmelnochmal“, Horizont Theater, Thürmchenswall 25, Köln, Tel. 0221/13 16 04 Weitere Aufführungen: 19.-21., 26.-30.5., jeweils 20 Uhr