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: Kölsche Krokodilstränen

Der Kabarettist HEINRICH PACHL hat links seinen festen Platz

Freispruch für Rüther? Bestechender Ofenbauer und bestochener Müllmanager auch nur auf Bewährung oder mit offenem Vollzug bestraft? Ganz große Enttäuschung beim Kleinen Mann auf der Straße und der Kleinen Frau hinter der Theke. Und auch im Kölner Rathaus haben die Urteile vom Donnerstag wie eine moralische Bombe eingeschlagen. Ausgerechnet dort, wo der Müllskandal ausgeheckt und dann nach allen Regeln von Korrumpieren, Klüngeln und Erpressen durchgezogen wurde, wurden vorgestern im Lokal-TV die dicksten Krokodilstränen über die angeblich milden Urteile vergossen und vorgeheult. „Milde“ Urteile – was heißt das? „Mild“ drückt die Enttäuschung einer ganz harten Erwartung aus.

Dahinter steht als Stammtisch-These die populistische Gleichung „Je drakonischer die Strafe, desto gerechter das Urteil, umso hergestellter der Rechtsfrieden“. Ein Gemisch von Volksbetrug und Selbstverarschung in Gefühlseinheit mit der dumpfen Sehnsucht nach dem Schlachtopfer. Also die Wiederbelebung eines Uralt-Rituals, um vom eigenen Versagen und teilweisen Mit-Tun an der Müll-Korruption abzulenken, damit die eigentlichen Opfer des Kölner Müllskandals, die zwangs-zahlenden Bürger, sich abreagieren können.

Der Skandal selbst aber, den abzuschaffen die pseudo-empörten Heulsusen keinen Finger rühren, bleibt erhalten. Sonst hätten CDU und Grüne als Kölner-Regierungskoalitze längst den Bericht des Rechnungsprüfungsamtes öffentlich debattieren müssen. Sonst hätten sie längst juristisch überprüfen lassen müssen, wieweit das Betrügen der Bürger bei der Dimensionierung der Müllanlage nicht auch den Tatbestand eines strafrechtlichen Betrugs darstellt, bevor auch dafür die Verjährung einsetzt. Und sie hätten längst checken müssen, wie die Stadt aus diesen unsittlichen Verträgen per Kündigung rauskommt.

Nix davon. Stattdessen gemeinsames Straßenkehren und Scheindebatten über diesen peinlich-biederen Kölner Klüngel-Knigge, um mit Spatzen gegen Kanonen vorzugehen. Dafür ist gleichzeitig mit dem Taktieren und Drohen des Rennbahn-Vereins über die Rennbahn-Bebauung der nächste Skandal schon in der Mache.