„Das Konjunkturpaket ist unseriös“

Schulden zu machen, um gegen die Krise anzukämpfen, ist in Ordnung, sagt Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. Auch der EU-Stabilitätspakt könne dafür gebrochen werden. Doch Straßen auszubauen und Steuern zu senken, sei der völlig falsche Weg

GERHARD SCHICK, 36, sitzt seit 2005 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Er ist finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion.

taz: Herr Schick, am Montag will die Regierung ein zweites Konjunkturpaket verabschieden. Was befürchten Sie, wie sich dieses Paket auf die Neuverschuldung auswirken wird?

Gerhard Schick: Wir haben Finanzminister Steinbrück schon im Herbst gesagt, als der Bundeshaushalt verabschiedet wurde, dass die bisherigen Haushaltszahlen nicht zu halten sind. Sicher wird auch die Schuldengrenze des EU-Stabilitätspakts überschritten. Es ist aber auch nicht falsch, in einer Wirtschaftskrise gegenzusteuern.

Welche Konsequenzen wird das aber haben, wenn Deutschland schon wieder die Drei-Prozent-Schuldengrenze der EU überschreitet?

Es ist ja nicht so, dass die EU Deutschlands Schuldenpolitik beklagt. Im Gegenteil: Die EU-Staaten haben Deutschland aufgefordert, als größte Volkswirtschaft seinen Teil zur Krisenbewältigung beizutragen, nachdem die Bundesregierung lange in Europa ein koordiniertes Vorgehen blockiert hat.

Sie befürchten nicht, dass Deutschland in eine Schuldenspirale rutscht?

Nicht durch dieses Konjunkturpaket. Eine antizyklische Politik ist sinnvoll. Die Regierung sollte bloß an den richtigen Punkten ansetzen.

Was macht sie Ihrer Meinung nach falsch?

Klar ist, dass die derzeit von der großen Koalition diskutierten Steuersenkungen nicht zu einer Ankurbelung der Konjunktur beitragen werden. Diese Maßnahmen entlasten bloß die Menschen, die bereits im oberen Einkommensbereich sind und viel sparen. Zugleich bleiben die Steuerentlastungen auch über die Krise hinaus bestehen und führen dann ständig zu Budgetlücken. Daher ist das, was die große Koalition jetzt versucht durchzudrücken, haushaltspolitisch unseriös.

Was würden Sie besser machen?

Bei Kommunalinvestitionen haben wir ja einen riesigen Investitionsstau. Und da jetzt Investitionen vorzuziehen und dafür auch Schulden aufzunehmen, finde ich völlig in Ordnung. Das reicht aber nicht. Wir Grünen haben ein ökologisch- soziales Investitionsprogramm vorgeschlagen, mit dem jetzt in der Krise gezielt in Bildung, den Klimaschutz und Soziales investiert werden sollte. Das ist ein Teil des new green deal, der neben einem solchen Investitionsprogramm auch die Finanzmarktregulierung enthält.

Sollte im Konjunkturpaket aber nicht jetzt schon auch klar geregelt sein, wie diese gigantischen Investitionsprogramme in besseren Zeiten gegenfinanziert werden?

Alle jährlich wiederkehrenden Ausgaben müssen immer auch gegenfinanziert werden. Das gilt beim Steuerrecht. Anders sieht es bei einmaligen Ausgaben aus, mit denen der Staat schuldenfinanziert zusätzliche Nachfrage schafft. Dabei muss es sich aber um Investitionen handeln, die unserer Wirtschaft auch tatsächlich neue Impulse verschaffen. Der Ausbau von Autostraßen gehört da ganz sicher nicht dazu.

INTERVIEW: FELIX LEE