Entscheidung auf der Netzkante

Ein Verbleib des einzigen deutschen Tennis-Masters am Hamburger Rothenbaum gleicht einem Fünfsatz-Match zwischen Sport und Politik – und ist längst noch nicht entschieden, obwohl Tennis-Ikone Boris Becker einen neuen Schmetterball trainiert

Das Geschacher um die Zukunft des Turniers wirkt wie ein Kuhhandel: „Ein Riesenrad, an dem wir hier drehen.“

von oke göttlich

Seit Jahren rollt der Ball auf der Netzkante entlang. Allein, auf welche Seite er sich fallen lassen wird, ist nicht absehbar. Verbleibt das Tennis-Masters am Hamburger Rothenbaum oder muss der Deutsche Tennis-Bund (DTB) die Lizenz für das einzige deutsche Weltranglistenturnier verkaufen, bevor ihn die Kosten für das prestigeträchtige Event im hauseigenen roten Sand begraben? Die Kugel rollt. Und neben viel Geld ist auch reichlich Politik im Spiel.

Über den Verkauf der Traditionsveranstaltung wird schon lange spekuliert, denn auch in diesem Jahr werden rund 500.000 Euro am Ende in den Kassen fehlen. Um auch 2005 spielen zu können, müssen bis Ende Juni rund eine Million Euro reingeholt werden. Dafür fordert der DTB staatliche Unterstützung. In einem Brief an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mahnte DTB-Präsident Georg von Waldenfels jüngst eine Entscheidung des Senats darüber an, „ob die finanziellen Voraussetzungen für ein kostendeckendes Turnier im nächsten Jahr geschaffen werden können“.

750.000 Euro sowie eine Bürgschaft in Höhe von 250.000 Euro jährlich will der DTB von der Stadt finanziert wissen. Ansonsten verlöre Hamburg eine Veranstaltung, die „1.000 Stunden weltweit im Fernsehen mit über 20 Millionen Zuschauern gezeigt wird. Da muss sich auch einmal die Stadt Hamburg überlegen, wo es so etwas noch gibt“, stellt Turnierdirektor Walter Knapper klar. „Eine bessere Werbung für Hamburg gibt es nicht.“

Mit allen Mitteln versucht der in den vergangenen Jahren schlecht wirtschaftende DTB für seine Veranstaltung zu trommeln. In den Jahren 1995 bis 1999 hat der DTB etwa 63 Millionen Euro aus dem TV-Vertrag verprasst und kann heute angeblich nicht mal seine Kredite bedienen. Längst sprießen täglich neue Spekulationen darüber ins Kraut, wie die Zukunft des Turniers aussehen könnte, ungeschickt lanciert von den sich stets uneinigen Provinzfürsten und Funktionären aus dem Schatten des DTB. So ist Knapper empört über den Zeitpunkt der Diskussionen über einen Fortbestand des Turniers und steht auch dem neuesten Plan des DTB und der Ikone des geschäftlichen Scheiterns, Boris Becker, skeptisch gegenüber.

Diese haben dem Senat einen schmackhaften Köder ausgelegt, in dem sie lauthals über einen Umzug in den Volkspark in die direkte Nachbarschaft von AOL- und Color-Line-Arena spekulieren – finanziert durch den Verkauf des lukrativen City-Geländes am noblen Hamburger Rothenbaum, auf das die Stadt seit jeher ein Auge geworfen hat. „Mit Immobilienerlösen vom Rothenbaum und einem Schuss aus dem Topf für Sonderinvestitionen müssten die finanziellen Hürden zu nehmen sein“, raunt denn auch Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bereits. „Unser Ziel ist es doch, Wohnraum und damit Leben in der Stadt zu schaffen. Es ist ein Riesenrad, an dem wir hier drehen.“

So wirkt das Geschacher um die Zukunft des Turniers wie ein Kuhhandel. Bis zum möglichen Umzug 2008 bekommt der DTB die geforderte Summe, und der Senat kann mit der Bauplanung am Rothenbaum beginnen. Knapper sieht diese Option zurückhaltend: „Es kann nicht sein, dass die ganze Zeit darüber diskutiert wird, ob es das Turnier weiterhin gibt oder der Standort in den Volkspark verlegt wird. Das sind Dinge, die man in Ruhe vorbereiten muss. Wenn man aber die Anlage nicht wirtschaftlich betreiben kann, dann muss man irgendwann einmal sagen: Lieber ein schnelles Ende, als eine Ende mit Schrecken.“

Unterdessen geht ATP-Europachef Horst Klosterkemper davon aus, dass das Masters auch 2005 in Hamburg ausgetragen wird. „Aus meiner Sicht ist es keine Frage, dass der Markt in Deutschland ein Turnier dieser Größe und Tradition hergibt“, erklärt der Düsseldorfer: „Ich bin überzeugt, dass der DTB und die Stadt eine Lösung für die Zukunft finden.“ Vorausgesetzt, das Zuschauerinteresse am Tennissport lebt wieder auf. Lediglich 30.000 Fans wollten am Mittwoch das Match von Tommy Haas gegen Vincent Spadea im Regionalfernsehen sehen. Aber auch dafür haben sie den eloquenten Neu-Talkmaster Boris. Der Experte verließ vor dem Ende der verlängerten Übertragung das Studio mit den Worten: „Tschüss, bis dann!“ Das macht Hoffnung auf Wiederkehr.