„Verheerende Folgen“

Uwe Schwarz, niedersächsischer Sozialexperte der SPD, warnt vor großen Kürzungen im Sozialetat. Alle Mittel in die Bildung zu stecken, sei Show-Politik. Er kritisiert damit die CDU-Sozialministerin von der Leyen. Seine Worte könnten aber auch auf die Bremer SPD-Senatorin Röpke passen

taz ■ Uwe Schwarz ist sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Er kritisiert die derzeit kursierenden Kürzungspläne der CDU-Sozialministerin Ursula von der Leyen scharf. Eigentlich müsste er dasselbe gegenüber der Bremer Sozialsenatorin Karin Röpke tun. Aber: Die ist auch von der SPD.

taz: Wie bewerten Sie die geplanten Kürzungen in Niedersachsen?

Uwe Schwarz, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag: Ich stelle da überhaupt kein Konzept mehr fest. Die CDU kannte wie wir den Haushalt bereits vor der Wahl. Sie wusste, dass Strukturveränderungen nötig sind. Man muss dann mal sagen, wo man seine politischen Schwerpunkte setzen will. Die CDU setzt auf Show: Alles Geld kommt in den Bildungsbereich, die anderen Politikfelder werden plattgemacht.

Welche Folgen befürchten Sie denn konkret für die soziale Landschaft in Niedersachsen?

Eine soziale Landschaft bleibt nicht mehr über. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass der Sozialetat mit 2,5 Milliarden Euro bis auf 50 Millionen – das ist die freie Spitze – durch Pflichtaufgaben aus Bundesgesetzen gebunden ist. Es gibt also gar keine 156 Millionen Euro zu kürzen. Selbst wenn man die freiwilligen Leistungen, eben die 50 Millionen, kürzen würde, hätte das verheerende Folgen: Dann werden Strukturen im Bereich Familien- oder Behindertenhilfe, im Bereich Sucht oder Aids und im Selbsthilfebereich platt gemacht. Dort haben wir teilweise kleine Beträge mit großer Wirkung, auch Beträge, die das Ehrenamt unterstützen. Das wird in Niedersachsen auseinanderbrechen.

Nennen Sie doch mal ein Beispiel.

Frau von der Leyen kürzt 300.000 Euro bei der ambulanten Hilfe für straffällige Jugendliche. Damit macht man die Strukturen der haupt- und ehrenamtlichen ambulanten Hilfe kaputt. Das kommt in drei- bis vierfacher Größenordnung im Justizministerium wieder an. Denn die Konsequenz ist, dass die Jugendlichen in den Jugendknast oder in Arrest gesteckt werden. Oder zum Beispiel die Suchthilfe: Wenn hier tatsächlich acht Millionen gestrichen werden, kann Frau von der Leyen die Beratungsstellen nicht mehr halten. Die Folge: Die Beschaffungskriminalität wird wieder steigen. Zugleich wird die Verelendung massiv steigen. Die Ministerin löst also immer größere Kosten aus als sie einspart.

Was würden Sie denn anstelle von Frau von der Leyen machen?

Ich hätte dieses Sparziel nie verkündet. In den vergangenen zehn Jahren unter der SPD-Regierung, die auch immer etliche Bereiche auf Null gesetzt hat, hat der parlamentarische Prozess noch Korrekturen bewirken können.

Hier in Bremen soll nun ähnlich drastisch gespart werden – unter SPD-Ägide. Können Sie dazu etwas sagen?

Nein, denn ich kenne die Strukturen des Bremer Haushaltes nicht. Aber wahrscheinlich kommt man in Bremen an dieselben Punkt wie hier in Niedersachsen: Irgendwann muss man seine Schwerpunkte setzen und sagen, wo sich noch reduzieren lässt.

Was Sie als SPD-Mann Ihrer CDU-Ministerin vorwerfen, nämlich die Ignoranz der Folgekosten, das erledigen hier die Betroffen.

Damit haben sie ja Recht.

Wäre das nicht Aufgabe einer SPD-Senatorin?

Ich sag’s nochmal: Das eine sind die Vorschläge der Regierung. Das andere ist das, was eine Fraktion durchs Parlament gehen lässt. In Niedersachsen hat die SPD in den vergangenen Jahren ihre Schwerpunkte gesetzt und solche Sachen nicht durchgehen lassen.

Es wird ja allenthalben im Sozialbereich gespart: in Niedersachsen, in Bremen, in Hamburg. Ist das trendy, bei den Schwächsten den Hebel anzusetzen?

Ich halte das für einen unsäglichen Zeitgeist. Um es ganz klar zu sagen: Mir geht es nicht darum, Leute, die aus dem Sozialsystem unberechtigte Vorteile ziehen, zu schützen. Aber wir führen eine Stigmatisierungsdebatte über einen Großteil der Leute, die unverschuldet in diese Lage geraten sind. Ich finde es unerträglich, wie wir mit diesen Personen umgehen und sie als „Schmarotzer“ alle über einen Kamm scheren.

Interview: Susanne Gieffers