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: Wenn ich mich nicht irre, hihihi

Kükenflüstern in der Ohlauer Straße

Pshaw! Beziehungsweise, Heavens! Das fiel mir neulich plötzlich wieder ein, als ich, wie leider viel zu oft, über peinliche Situationen in meinem Leben nachdachte und mir das Gespräch mit einem Nordamerikaner einfiel, dem ich einfach nicht glauben wollte, dass er Winnetou nicht kennt.

Nicht nur, dass er Winnetou nicht kannte, er lachte auch noch über Old Shatterhand („hihi, die alte Zitterhand!“), und über meine vielen echten Westmen-Vokabeln, die ich bei den Abenteuern mit den Indsmen gelernt habe. Hang it all, Meschurs, dieses Greenhorn behauptete, nicht ein lebendiger oder toter Amerikaner habe je die erstaunten Ausdrücke „Zounds!“, „Pshaw!“ oder eben „Heavens!“ benutzt. Nicht mal Billy the Kid. Und weder „Uff“ noch „Hugh!“ ordnete er unseren roten Brüdern zu, sondern den überspannten Fantasien eines nationalgesinnten, religiösen, einfältigen Deutschen.

Damned, ich gebe ja zu, dass „Klekih-Petra“ in der Tat nicht unbedingt ein glaubhafter Indianername ist (vor allem für einen Mann). Aber was ist mit Hatatitla? Und Iltschi? Gents, um zumindest die Namen zu rehabilitieren, habe ich meiner neuerdings schwangeren Freundin sogar vorgeschlagen, ihre noch unbenannte, ungeborene Tochter Klekih-Petra zu nennen. Klekih-Petra Platz würde das Mädchen dann heißen, und das ist doch immer noch realistischer als Ntscho-Tschi Platz, ’s Devil, wenn ich mich nicht irre, hihihi.

Well, beim weiteren Nachdenken über die Zitterhand und seine Abenteuer im Llano Estacado ist mir auch wieder eingefallen, wie man Regen herbeizaubert, wenn es schon sehr lange drückend heiß ist: Man zündet ein paar Kakteen an. Droht man trotzdem zu verdursten, trinkt man ein wenig Koyotenblut. Muss man lange Strecken laufen, belastet man erst nur den einen, den linken Fuß, und dann den anderen, den rechten.

Ich bin sicher, dass das funktioniert, schließlich kursieren noch ganz andere Laufmärchen: Vorhin habe ich schon wieder eine Gruppe moppeliger Hausfrauen gesehen, die dirigierend am Kanal entlang gingen, also walkten. Das sieht, das muss man ihnen lassen, immer recht festlich und bestimmt aus, wenn so eine Walkinggruppe vorbeimarschiert. Ich vermute jedoch, dass den WalkerInnen ihr Sport im Herzen ein wenig peinlich ist, sonst würden sie sich trauen, ihn allein auszuüben.

(Zum Thema Sport möchte ich noch kurz hinzufügen, dass das merkwürdige brasilianische Sklaventanzen, das so ähnlich heißt wie Caipirinha, anscheinend doch wieder in den südamerikanischen Foltergefängnissen verschwunden ist. Stattdessen, so konnte ich neulich auch in dieser Zeitung lesen, tanzen neuerdings alle in Gummistiefeln. Und das ganz bestimmt nicht, weil es die Lüftung verbessert.)

Aber zurück zu Zitterhand, meinem alten Coon. Der konnte mit seinem Pferd reden, er musste nicht mal flüstern, und schwer beeindruckt von so viel Tier-Mensch-Teamgeist hätte ich gestern Nachmittag fast ein kleines flauschiges Krähenküken gerettet, das auf der Ohlauer Straße aus dem Nest gefallen war und unter einem weißen Golf hin- und herpiepte und mit den noch zu kurzen Flügel flatterte. Die Krähenmutter hatte den Verlust schon bemerkt, sah sich aber außerstande, das dicke Küken wieder ins Nest zu holen.

Kurz überlegte ich, das kleine Federbündel mitzunehmen, in ein weiches Handtuch zu hüllen und es mit der Flasche aufzuziehen, bis es zahm und dressiert als erwachsener Vogel auf meiner Schulter hocken und mir bei Bedarf meine silbernen Ohrringe aus dem Badezimmer holen könnte. Aber dann hatte ich Angst davor, ihm etwas später lebendige Würmer auswürgen zu müssen.

Darum klemmte ich nur einen Zettel hinter die Golf-Scheibenwischer, „Achtung, Küken sitzt neben Hinterrad, bitte vorsichtig ausparken“, und stahl mich davon. Immerhin belastete ich dabei erst den einen und dann den anderen Fuß. Hugh.

JENNI ZYLKA