SPD unterdrückt die Flick-Debatte

Der Fraktionsvorstand der SPD blockiert einen Antrag von Abgeordneten der SPD und der PDS zur umstrittenen Flick-Collection. Darin wird der Senat aufgefordert, eine „kontroverse gesellschaftliche Diskussion“ zu ermöglichen. PDS hat schon zugestimmt

von ROBIN ALEXANDER

Die Führung der SPD-Fraktion verhindert eine Debatte über die umstrittene Ausstellung der Flick-Collection in Berlin. Ein im zuständigen Arbeitskreis der Fraktion beschlossener Antragsentwurf, in dem der Senat aufgefordert wird, die „gesellschaftliche Diskussion“ über die umstrittene Sammlung herzustellen, wird seit Ende April vom Vorstand blockiert. Bis heute ist er der Fraktion nicht zur Abstimmung vorgelegt worden.

Besonders pikant: Die PDS hat der Initiative ihres Koalitionspartners schon vor zwei Wochen zugestimmt. Am 10. Juni stimmte die PDS-Fraktion in ihrer Sitzung für einen Antragentwurf, der mit dem Satz schließt: „Das Abgeordnetenhaus erwartet, dass der Senat in Kooperation mit der Stiftung preußischer Kulturbesitz sowohl im Vorfeld als auch im Verlauf der Ausstellung die kontroverse gesellschaftliche Diskussion zur Übernahme der Sammlung ermöglicht und dokumentiert.“

Der kulturpolitische Sprecher der PDS, Wolfgang Brauer, dazu: „Dies war eine Kompromissformulierung, die wir gemeinsam mit den sozialdemokratischen Kulturpolitikern gefunden haben.“ Die PDS – die mit Thomas Flierl den zuständigen Senator stellt – habe sich „nach einiger Diskussion“ entschieden, einen Antrag beider Regierungsfraktionen mitzutragen.

Gestoppt wurde dieser dann vom SPD-Fraktionsvorstand. Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller sagt: „Der Vorstand hat die Auffassung vertreten, dass es eines Antrages nicht bedarf. Michael Müller will das Anliegen aber im Gespräch mit dem Regierenden vorbringen.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende Müller wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Sein Sprecher erklärt weiter: „Das war gar kein Antrag, sondern nur der Versuch eines Antrags unserer kulturpolitischen Sprecherin.“

Auf dem Antragsentwurf, der der taz vorliegt, ist allerdings vermerkt: „AK III beschlossen: 29. 4. 3“. Die Vorsitzende dieses fraktionsinternen Arbeitskreises für Wissenschaft, Forschung und Kulturelle Angelegenheiten ist Felicitas Tesch. Sie erklärte der taz: „ Es gibt diesen Antrag. Ich möchte darüber aber nicht öffentlich reden.“ Die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, Brigitte Lange, sagt: „Diesen Antrag haben wir gemeinsam mit der PDS erarbeitet und im Arbeitskreis beschlossen. Dann ging er in den Fraktionsvorstand.“ Dort liegt er bis heute.

Wolfgang Brauer kommentiert den sozialdemokratischen Rückzieher so: „In der SPD gibt es Kräfte, die Klaus Wowereit aus der Schusslinie haben wollen.“ Im Januar hatte der Regierende Bürgermeister öffentlich die Annahme der umstrittenen Flick-Collection durch das Land und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bekannt gegeben. Die Kulturpolitiker von SPD und PDS im Abgeordnetenhaus erfuhren erst aus der Zeitung vom „Coup“ ihres Regierenden. Wenig später berichtete Wowereit zwar in der Fraktion über die Flick-Ausstellung, eine Aussprache dazu fand jedoch nicht statt.

Die Genese des verhinderten Antrags der Koalitionsfraktionen illustriert anschaulich, unter welchem Druck die Parlamentarier ihre Meinung zur Flick-Sammlung bilden. In einem frühen Antragsentwurf hieß es noch zur Begründung: „Hintergrund dieser Debatte ist die schwierige Frage nach der politischen Bewertung des Zusammenhangs zwischen der Kunstsammlung und der historischen Schuld, die auf dem Familiennamen Flick lastet.“ Dieser Passus wurde in der vom Arbeitskreis angenommenen Fassung entschärft. Der Begriff „historische Schuld“ fehlt nun. Stattdessen heißt es dort: „Hintergrund dieser Debatte ist die offene Frage nach der Bewertung der Entstehungsumstände der Flick-Collection vor dem Hintergrund der Geschichte des Flick-Konzerns in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.“ Auch dies schien der PDS-Fraktion noch zu deutlich. Sie beschloss den Antragsentwurf ohne Begründungsteil.