Lautstark und ungeschminkt

Die 16-jährige Russin Maria Scharapowa ist die perfekte Repräsentantin für eine neue Kampagne, welche das Glamour-Image des Frauentennis durch ein Bild femininer Stärke ersetzen soll

aus Wimbledon DORIS HENKEL

Der Slogan klingt nicht schlecht. „Get in touch with your feminine side“ ist der Titel einer neuen Kampagne der Dachorganisation des Frauentennis, WTA. Ran an deine feminine Seite. Was das Ganze soll, beschreibt der Vizepräsident für Marketing und Kommunikation der WTA, Dave Larson, fraulich-blumig so: „Mit der aktuellen Betonung im Frauentennis auf Fitness, Stärke und Kampfgeist wird der Begriff des Weiblichen neu definiert.“

In Fernsehspots und auf diversen Anzeigenvorlagen sind die Besten der Welt in Spielszenen zu sehen, ungeschminkt und in vollem Einsatz. Natürlich ist die Nummer eins dabei, Serena Williams, aber die beste Erklärung kommt von der erst 16 Jahre alten Russin Maria Scharapowa, die in Wimbledon ihr erstes Spiel bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen hat und längst alle Blicke auf sich zieht: „Diese Kampagne ist eine Botschaft an alle Leute, die glauben, dass Männer stark und groß sind und Kraft haben und wir Mädchen lieb und süß und bonbonfarben sind. Es geht nicht darum, hübsch zu sein da draußen; es geht darum, zu gewinnen, um jeden Ball zu kämpfen und Spaß zu haben.“

Man könnte meinen, die WTA habe Scharapowa für die Kampagne gleich miterfunden. Sie stammt aus Sibirien, lebt seit sieben Jahren in Florida, hat die Figur eines Models (50 Kilo bei 1,75 Größe), hat lange, honigblonde Haare, ist auffällig intelligent und redegewandt und verblüfft in Pressekonferenzen und Interviews mit natürlicher Autorität. Und sie spielt Tennis, als ginge es bei jedem Punkt ums Leben. Das ist alles ziemlich eindrucksvoll – wenn die Geräusche nicht wären, die sie dabei von sich gibt.

Das ist kein Stöhnen wie bei Monica Seles, sondern ein durchdringendendes Quietschen auf höchster Frequenz, und nach zehn Minuten wünschte man sich, taub zu sein. Aber selbst die Beschallung ist in der neuen WTA-Kampagne schon bedacht, zwar nicht mit Maria Scharapowa, sondern noch mit Monica Seles, neben deren Anzeigenfoto der Slogan steht: Stöhnen Sie, wenn Sie Frauentennis mögen.

Kurioserweise ist es so, dass die WTA mit der neuen Kampagne ein Bild korrigiert, das sie mit einer alten selbst geschaffen hat. Überwältigt vom Erfolg der Selbstdarstellung und vom Grad der Aufmerksamkeit, die Anna Kurnikowa weltweit erreicht hat, hatte die Organisation keine Gelegenheit ausgelassen, auch andere Spielerinnen in das Glamour-Schema zu pressen. In einem Kalender voller Hochglanzfotos wurden sie aufgemacht und angehübscht wie Filmstars präsentiert – ob das zu ihnen passte oder nicht. Und geblendet von der Ausstrahlung diverser langer Beine, erklärte die WTA Frauentennis offiziell zur größten Sportschau auf Erden – die Tatsache ignorierend, dass die Leistungsdichte zwar zugenommen hat, dass die spannenden, spektakulären Spiele eines Grand-Slam-Turniers bei den Frauen aber selten vor Beginn der zweiten Woche stattfinden.

Und es gibt offensichtlich jemanden, der jetzt einen Teil der Zeche jenes Glamour-Irrtums bezahlen muss. Schluchzend verlor Daniela Hantuchova Mittwochabend ein Spiel gegen die Japanerin Shinobu Asagoe im dritten Satz mit 10:12, und sie war dabei wieder ein trauriger, fragiler Schatten ihrer selbst. Vor einem Jahr sollte sie die Kurnikowa-Lücke füllen; man notierte die Länge ihrer Beine und überredete sie, sich im Minirock in neckischer Pose ablichten zu lassen. Dass sie an Äußerlichkeiten nicht interessiert sei und am liebsten nach ihren Leistungen als Spielerin gemessen werden wollte, wiederholte sie freundlich und stetig, aber es nützte nicht viel. Schwer zu sagen, ob das mit dem dramatischen Gewichtsverlust zu tun hat, der seit einem halben Jahr nicht zu übersehen ist. Aber es ist offensichtlich, dass sie zurzeit verzweifelt nach einer Chance sucht, wieder zu sich selbst zu finden.

Maria Scharapowa sieht solche Gefahren nicht. Vergleiche mit Kurnikowa lassen sie völlig kalt, und sie wehrt sie mit einer kühlen Souveränität ab, die in ihrem Alter selten ist. Vielleicht ist es genau das, was ihr helfen wird, wenn die Schar der Bewunderer wächst. Ein klarer Verstand macht manches leichter, auf der femininen Seite und überhaupt.