WER DIE SOZIALABGABEN SENKEN WILL, MUSS WOANDERS KASSIEREN
: Überleben statt sparen

Politik wird durch das Personal erst bunt. Hat sich doch gerade Ulla Schmidt gegen Hans Eichel durchgesetzt – die raumgreifende Superministerin mit dem stählernen Lächeln gegen den immer ungelenker wirkenden Buchhalter mit der Vorwurfsmiene. Sieben Milliarden kriegst du nicht, hat sie gesagt, auch nicht vier, höchstens zwei. Und Hans, wie immer beleidigt, trollt sich und muss seinen Haushalt eben ohne Ullas Beitrag fertig basteln. Kann man sich prima vorstellen.

Aber natürlich handelt es sich nicht um einen Sieg Ulla Schmidts und auch nicht um eine Niederlage Hans Eichels – so wenig, wie es reicht, Politik als Sieg oder Niederlage von Personen zu sehen. Ulla Schmidt kann sich ihren Eigensinn leisten, weil sie Konjunktur hat – nicht, weil sie plötzlich die bessere Ministerin wäre, sondern weil sie für das aktuelle Überlebensprinzip dieser Bundesregierung steht: Lohnnebenkosten senken auf Teufel komm raus. Angeblich schafft das Arbeitsplätze.

Die Repräsentantin der Krankenkassen- und Rentenbeiträge, die Verwalterin eines der größten Etats im Bundeshaushalt sitzt gegenwärtig einfach am längeren Hebel: Denn jeden Euro, den Eichel ihr wegnimmt, muss sie entweder den Rentnern wegnehmen, das kostet Stimmen. Oder sie muss ihn bei der lohnarbeitenden Bevölkerung wieder einsammeln, das erhöht die Lohnnebenkosten.

Hans Eichel dagegen ist in diesem Jahr kein schlechterer Minister als im vergangenen – sein Prinzip, das Prinzip Sparen ist nur nicht mehr angesagt. Man könnte es als eine Art Rache des Systems begreifen: Jahrelang wurden die Sozialversicherungen, insbesondere die Krankenkassen, durch eine Politik der „Verschiebebahnhöfe“ belastet, um die öffentlichen Haushalte zu schonen. Über Krankenversicherung wurde geleistet, was über Steuern nicht mehr bezahlt werden sollte. Jetzt hat sich der Wind gedreht: Die Sozialversicherungen sollen billiger werden? Bitte, sagt Ulla Schmidt: Dann holt euch euer Geld bei Pendlern und Häuslebauern. Und Hans Eichel spurt. Jetzt einmal wieder persönlich gesehen: Leid tun kann er einem schon. ULRIKE WINKELMANN