Genverbot nicht ewig

EU könnte Verbot für Gen-Lebensmittel aus USA lockern. Vorerst aber keine Zugeständnisse

aus Washington MICHAEL STRECK

Die Auseinandersetzung um genveränderte Organismen entzweit die EU und die USA. Beim ersten Arbeitstreffen im Weißen Haus nach dem Streit um den Irakkrieg schlugen die Wellen unerwartet hoch. Ansonsten bemühten sich die Delegationen allerdings, die Unterschiede nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen, und demonstrierten gutes Einvernehmen.

Im Streit um den Handel gentechnisch veränderter Lebensmittel sind die Positionen beider Seiten unverändert hart. Bush forderte die EU erneut auf, ihr Importmoratorium aufzuheben. Durch das Einfuhrverbot entgehen US-Agrounternehmen dreistellige Millioneneinnahmen, erklärt die US-Regierung. Bush glaubt, die EU verstoße mit ihrem Verbot gegen Richtlinien der Welthandelsorganisation. Die EU sieht sich jedoch im Einklang mit geltenden Bestimmungen.

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sagte im Anschluss an den europäisch-amerikanischen Gipfel in Washington lediglich, es gebe nicht die Absicht, das vor 5 Jahren eingeführte Importmoratorium für Genmais und andere genetisch manipulierte Nahrungsmittel für immer beizubehalten. Einvernehmen wurde bei der Zusammenarbeit über die Nichtweiterverbreitung von ABC-Waffen demonstriert. So wollen beide Seiten verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Sie forderten Teheran auf, seine Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergie-Behörde überprüfen zu lassen.

Über das wohl brisanteste Thema drang wenig aus den Verhandlungszimmern: das neue EU-Sicherheitskonzept, vorgestellt auf dem EU-Gipfel im griechischen Porto Carras von Javier Solana, in dem Europa die Anwendung militärischer Präventivschläge erstmals ausdrücklich einschließt. Dieser Strategiewechsel sei zwar von der Bush-Regierung „sehr begrüßt“ worden, sagt Loretta Bondi vom Center for Transatlantic Relations an der Johns Hopkins University in Washington. Doch die Amerikaner stünden dem „historischen Schritt“ skeptisch gegenüber. Sie wollten Beweise, dass es sich nicht nur um Rhetorik handle und die Europäer auch bereit seien, Taten folgen zu lassen, zum Beispiel ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

Außerdem unterscheidet sich das Solana-Papier gravierend von der US-Präventivschlag-Doktrin. Prävention wird hier als Konzept wirtschaftlicher, politischer und militärischer Mittel angesehen. Sie muss in multilaterale Strukturen eingebettet bleiben, wozu das Völkerrecht weiterentwickelt werden soll. Ein einseitiges Vorgehen einzelner Staaten, wie es die USA rechtfertigen, wird abgelehnt. „Ich glaube nicht, dass sich diese US-Regierung auf das EU-Konzept einlassen wird“, sagt Bondi.

Außenpolitik-Experten sind denn auch der Ansicht, dass der Schwenk der Europäer die USA kaum zu Abstrichen an ihrer eigenen Sicherheitsdoktrin bewegen wird, um einen Konsens mit der EU zu erzielen. Die transatlantische Annäherung, die nach Ansicht von Bondi momentan in überwiegend von Europa ausginge, könnte sich als vergebliche Liebesmüh erweisen. Joseph Cirincione von der Carnegie-Stiftung glaubt, die Bush-Regierung folgt dem Prinzip: „Wenn ihr nicht auf unserer Seite seid, dann geht aus dem Weg.“

Wenn Audienzzeiten und Medieninteresse ein Indikator für das Interesse an Europa sind, dann scheint der alte Kontinent auf den Radarschirmen in Washington nur noch ein schwacher Punkt zu sein. Während George Bush den Abgesandten Europas lediglich drei Stunden Zeit gewährte, widmete er sich zuvor und danach dem pakistanischen Präsident Muscharraf zwei Tage. Und den Abendnachrichten war der Gipfel keine Meldung wert.