Mit Faustschlägen „ruhig gestellt“

Kölner Polizistenprozess: Die Angeklagten nennen ihre Schläge „gerechtfertigt“

KÖLN taz ■ Ins Rollen kam der Prozess durch zwei Polizisten. Nachdem die beiden Beamten mehrere Kollegen wegen Misshandlungen angezeigt hatten, müssen sich nun die sechs Beschuldigten wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Kölner Landgericht verantworten. Die Männer sind angeklagt, am 11. Mai 2002 den 31-jährigen Stephan N. bei einer Festnahme derart misshandelt zu haben, dass er in ein Koma fiel, aus dem er nicht mehr erwachte.

Eine Nachbarin hatte die Polizei wegen Ruhestörung gerufen. Weil sich N., der bei seiner Mutter lebte, weigerte, die Tür zu öffnen, verschafften sich die Beamten mit Gewalt Zutritt. Die Angeklagten beschrieben N. gestern als „Randalierer“, der höchst erregt und hysterisch gewesen sei. Weil er Einwegspritzen gesehen hatte, so einer der Beamten, habe er geglaubt, N. sei drogenabhängig. Auf die Idee, es mit einem psychisch kranken Menschen zu tun zu haben, so ergab eine Frage des Richters, kamen die Beamten nicht. Dabei sagten zwei von ihnen gestern aus, dass sich N. mehrfach „wirr“ geäußert habe: „Ich bin Jesus, ich mache euch fertig.“

Die Beamten versuchten, den thrombosekranken Mann mit Faustschlägen „ruhig zu stellen“. Mit größter Gewaltanwendung trugen sie den Gefesselten aus der Wohnung. Mehrere Angeklagte sagten gestern aus, dass ihnen N. im Treppenhaus mehrfach „entglitt“. Auf der Eigelsteinwache kündigten sie ihr Eintreffen mit dem Wunsch nach einem „Empfangskommando“ an. Auf der Wache wurde N., der inzwischen stark blutete, weiter brutal geschlagen. Ein Beamter gab an, das Tun seiner Kollegen „nicht bewusst wahrgenommen“ zu haben, weil er seine Brille nicht trug. „Die brauche ich nur zum Autofahren und wenn ich etwas genau sehen muss.“ Und: Alle Schläge seien „gerechtfertigt“ gewesen. Bei einer gewaltsam durchgeführten Blutentnahme fiel N. ins Koma. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. BARBARA BOLLWAHN