Stoiber verkneift sich den Ärger über Merkel

Der kleine Gipfel der CDU-Vorsitzenden mit dem Kanzler irritiert den CSU-Chef. Dabei sein ist alles – gerade für ihn

MÜNCHEN taz ■ Oft sind es die letzten, beiläufigen Sätze eines Pressestatements, die einen hellhörig werden lassen. „Das sollte man doch jetzt erst mal abwarten“, sagte ein Sprecher der bayerischen Staatskanzlei gestern Mittag, „ob sich Edmund Stoiber noch persönlich in die Gespräche mit der Bundesregierung einschalten wird.“ Der Tonfall allein verriet, dass es natürlich nicht darum geht, ob sich Stoiber einmischen wird, sondern wann. Zuvor hatte der Sprecher selbstverständlich energisch dementiert, dass der bayerische Ministerpräsident in irgendeiner Form über das gestrige Gipfeltreffen von CSU-Chefin Angela Merkel mit Bundeskanzler Gerhard Schröder verärgert sei.

„Total falsch“ seien zudem jene Berichte, nach denen Edmund Stoiber vorher darauf gedrängt hatte, am Spitzentreffen zur Gesundheitspolitik teilzunehmen. Das Dementi war nötig, weil am Donnerstag gleich eine Reihe von Medien über verschiedene Versuche von Edmund Stoiber berichtet hatten, noch in letzter Minuten zu intervenieren. So soll er von Angela Merkel erst die Absage und dann eine Verschiebung des Treffens gefordert haben. Als alles nichts half, habe er zumindest die Beteiligung des CSU-Landesgruppenchefs im Bundestag, Michael Glos, dringend empfohlen.

Stimmt alles nicht, heißt es nun, doch es ist offensichtlich, dass sich Edmund Stoiber das Heft des Handelns keineswegs aus der Hand nehmen lassen will – und kann. Denn Stoiber muss sich nicht nur im Machtkampf um die Führung der Opposition im Bundestag behaupten, sondern er hat auch die Landtagswahl in Bayern im September vor Augen. Um dort ein möglichst noch grandioseres Ergebnis als bei den Bundestagswahlen zu erzielen und womöglich die 60-Prozent-Hürde anzupeilen, will Stoiber sich vor allem bundespolitisch als Macher etablieren. Daheim hat er ohnehin keine Gegner mehr.

So kann dem „Überbayern“, wie die Zeit Stoiber gerade charakterisierte, der Verlauf der Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Opposition nicht recht sein. Schon dass der CSU-Vorsitzende Stoiber seinen Parteikollegen Horst Seehofer mit dessen „privaten Gedanken“ zur Privatisierung der Krankenversorgung tagelang quer schießen ließ, sorgte nicht nur in der CDU, sondern auch im CSU-Präsidium für Verwunderung. „Als ein weiteres Zeichen von Stoibers Schwäche“ werteten dann auch intern Mitglieder des CSU-Landesvorstands die Tatsache, dass der Ministerpräsident Angela Merkel bei ihrem Gang zum Kanzler nicht bremsen konnte. Was Stoibers Sprecher irgendwie ganz anders sah. Und erst recht sei es verfehlt, im Berliner Spitzengespräch ein Zeichen für einen Strategiewechsel der Opposition zu sehen. JÖRG SCHALLENBERG