Schweiz jetzt sehr nahe an Schengen

Vertreter der Europäischen Union und der eidgenössische Botschafter machen den Weg für einheitliche Zinsbesteuerung frei. Noch muss aber die Bevölkerung in einem Referendum zustimmen. Steuerflüchtlinge dürfen sich weiter sicher fühlen

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Passkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze werden vielleicht bald der Vergangenheit angehören. Gestern einigten sich die Botschafter der 25 EU-Mitgliedstaaten in Brüssel mit dem Verhandlungsvertreter der Schweiz darauf, das Land in den Schengen-Raum aufzunehmen. Voraussichtlich wird zunächst die Schweizer Bevölkerung in einem Referendum dazu befragt.

Das Abkommen lag lange auf Eis, weil die Schweiz Nachteile für Steuerhinterzieher befürchtet. Bislang gilt zwar in den zum Schengen-Verband gehörenden Ländern das Prinzip, dass Straftäter nur dann ausgeliefert werden, wenn das Delikt auch im ausliefernden Land als Straftat eingestuft ist. Da nach Schweizer Rechtsauffassung Steuerbetrug eine Ordnungswidrigkeit ist, muss Bern keine Rechtshilfe leisten. Wegen der zunehmenden Bedeutung grenzüberschreitender Kriminalität wird das so genannte Prinzip der doppelten Strafbarkeit aber zurückgedrängt.

Deshalb hat die Schweiz nun eine unbegrenzt lange Übergangsregelung ausgehandelt, um auch in Zukunft Steuerflüchtlinge nicht ausliefern zu müssen. Die Niederlande und Frankreich sollen den Kompromiss nur unter großen Bedenken gebilligt haben.

Vor allem aber Luxemburg, das als Bankenstandort und Parkplatz für ausländisches Kapital die gleichen Kunden umwirbt wie die Schweiz, hatte sich bis gestern gegen Sonderbedingungen für den Konkurrenten zur Wehr gesetzt. Beim Finanzministertreffen am vergangenen Montag hatte der luxemburgische Wirtschafts- und Premierminister Jean-Claude Juncker aber signalisiert, er wolle den Weg für die EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung ausländischer Kapitalerträge frei machen.

Die Richtlinie kann nach diesem Kompromiss wie geplant am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Nur in Belgien, Luxemburg und Österreich bleiben Kapitalanlagen dann noch anonym. Stufenweise wird dort eine Quellensteuer eingeführt, die ab 2011 bei 35 Prozent liegen wird. Diese Regelung gilt auch für Drittstaaten wie Andorra, Liechtenstein und eben die Schweiz.

In allen anderen EU-Staaten ist es vom kommenden Jahr an vorbei mit der Anonymität. Die Namen und Kapitalsummen ausländischer Anleger werden dann ans jeweilige Heimatland gemeldet, damit das zuständige Finanzamt Bescheid weiß.