Delikat mit Rosenduft

Geschmackvoll, gesund und mit erotischer Komponente – Erdbeeren haben derzeit Saison. Doch Vorsicht: Der Deutschen Lieblingsfrucht ist zimperlich und richtig nur mit Umsicht zu genießen

von LENA ULLRICH

Hätten Sie‘s gewußt? Die Erdbeere, botanisch Fragaria, ist ein Rosengewächs. Ihre vornehmen Wurzeln reichen zurück bis in die Antike, und wie bei ihrer blumigen Verwandtschaft wurde auch an der kleinen, feinen Walderdbeere eine Eigenschaft besonders geschätzt: das lateinische fragare heißt übersetzt „duften“.

Das Ansehen der Erdbeere steigerte sich noch, als die Franzosen im 18. Jahrhundert die weit größere und saftigere „Amerikanische Scharlacherdbeere“ mit nach Europa brachten – aus der Kreuzung mit der „Schönen von Chile“ ging mit der Zeit ein Geschlecht mit mehr als 1000 Abkömmlingen hervor, inzwischen beheimatet von den Subtropen bis in den arktischen Bereich. Da war die erotische Komponente der delikaten Frucht längst etabliert. William Shakespeare beispielsweise erinnerte ihre Form an die Brustwarzen einer Frau. Und fast 150 Jahre früher war der französische Poet François Villon bereits verrückt nach einem „Erdbeermund“.

Und Fragaria hat noch mehr zu bieten. Obwohl sie zu 90 Prozent aus Wasser besteht, besitzt sie viele Mineralstoffe wie Calcium, Kalium und Eisen. Ihr Vitamin-C-Gehalt übersteigt sogar den von Orangen und Zitronen. Erdbeeren fördern das Zellwachstum und stärken das Immunsystem. Betuchte Frauen früherer Jahrhunderte bekämpften mit Erdbeermasken Sommersprossen und Krähenfüße.

Standesbewusst empfindlich büßt die unangefochtene Lieblingsfrucht der Deutschen allerdings bereits wenige Stunden nach dem Pflücken ihr köstliches Aroma ein. Sie gehört zu den nicht nachreifenden Früchten. Nur reife Früchte haben den vollen Gehalt an den geschmacksgebenden Bestandteilen an fruchteigenem Zucker und Aromastoffen. Wer Erdbeeren ohne ihre grünen Blütenkelche wäscht, verwässert sie.

Die Erdbeersaison dauert in Deutschland von Mitte Mai bis Mitte August. Transportfähige Züchtungen sind das ganze Jahr über zu haben: Im Herbst aus Argentinien, im Winter aus Kalifornien, Israel, Marokko, Spanien und Italien. „Heimische Erdbeersorten wie die Corona sind sehr saftig. Sie eignen sich jedoch nicht für den Handel. Die importierten Sorten Elsanta und Sengana sind dagegen fester und weniger schmackhaft“, sagt Jan Timm, Einkaufsleiter des Hamburger Lieferanten Naturkost-Nord.

Kein vornehmes Geschlecht ohne Skandal. Unter den stolzen Abkömmlingen der „Scharlacherdbeere“ befinden sich auch faule Früchtchen. Die Verbraucherzentrale warnt vor Pestizid-Cocktails, insbesondere in importierten Früherdbeeren. Eine Prüfung des Instituts für Hygiene und Umwelt wies 86,7 Prozent der Erdbeeren aus Hamburger Großmärkten Fungizid-Rückstände nach. Wer sichergehen will, pflückt Erdbeeren auf den Feldern der Öko-Bauernhöfe.