Essen, was die Kelle gibt

Senat legt neue Qualitätskriterien für die Schulspeisung vor. Ausgewogene Mahlzeiten mit einem gewissen Anteil an Ökofood sollen auf den Tisch kommen. Jeder achte Erstklässler ist übergewichtig

von BEATE WAGNER

Schon lange klar ist: Mit gesundem Futter im Bauch rechnet und liest es sich besser. Erst kürzlich forderten die Grünen deshalb Biokost für alle Berliner Schüler. Jetzt zieht die Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport nach und legt in Kooperation mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) einen Kriterienkatalog fürs Schulcatering vor, der künftig zumindest für eine „ökologisch orientierte Mittagsverpflegung“ an allen Ganztagsgrundschulen sorgen soll. „Leider gibt es nur Schlagzeilen über zu viele übergewichtige Kinder oder die etwa 30 Prozent der Schüler, die ganz ohne Frühstück zur Schule kommen“, erläuterte der Bildungssenator Klaus Böger (SPD) die Präventionsmaßnahme gestern. Die Kids könnten so ganz praktisch erleben, dass gesundes und biologisch wertvolles Essen lecker schmeckt.

Der neue Speiseplan soll bereits diesen Sommer an den ersten Schulen umgesetzt werden. Böger: „Die bestehenden Ganztagsschulen werden um 30 weitere aufgestockt, die alle eine warme Mahlzeit anbieten müssen.“

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind 10 bis 20 Prozent aller deutschen Kids zu dick, die körperliche Fitness der 10- bis 14-jährigen Jugendlichen sank bundesweit seit 1995 um ein Fünftel. „Spätestens die Tatsache, dass es bereits Kinder mit Arteriosklerose gibt, muss uns nachdenklich stimmen“, ergänzt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AOK Berlin, Werner Felder.

Die Konsequenz sieht so aus: In Zukunft werden nur noch Großküchen Ganztagsschulen mit Essen beliefern. Auch in Einrichtungen, wo bisher noch eigenes Küchenpersonal kocht, wird sich laut Bildungssenator Böger Essen auf Rädern durchsetzen, alles andere sei nicht mehr finanzierbar. Und: Die Cateringfirmen müssen sich demnächst an dem neu erstellten Leistungskatalog orientieren und die Kriterien erfüllen, wenn sie bestehende Verträge in den Schulen weiterführen oder neue abschließen wollen.

Die in den Qualitätskriterien empfohlene „optimierte Mischkost“ soll neben reichlich Obst und Gemüse aus regionalem Anbau auch verschiedene Getreidesorten und wöchentlich höchstens zwei Fleischmahlzeiten enthalten. Entwickelt hat das Konzept das Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung. Der Anteil an kontrolliert biologischen Nahrungsmitteln ist auf 10 Prozent festgelegt.

Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, hält das für zu wenig. „Da muss schon ein bisschen mehr Butter bei die Fische.“ Sicherlich wünsche sie sich einen höheren Anteil an ökologisch kontrollierten Produkten, aber „das Kernproblem liegt doch vor allem beim Umstellen der konventionellen Menüs auf vollwertige“.

Sabine Schulz-Greve von der Initiative „Vernetzungsstelle gesunde Schulverpflegung Berlin“ verteidigt hingegen das Verpflegungskonzept für die Ganztagsschulen und ist davon überzeugt, „dass zunächst einmal die Akzeptanz bei Eltern und Lehrern gesteigert werden muss. Sonst fühlen sie sich schnell überfordert“, begründet Schulz-Greve. Außerdem müsse ein Netzwerk der Zulieferer aufgebaut werden, bevor man über eine Erhöhung des Anteils biologisch kontrollierter Produkte nachdenke. „Mit 2,40 Euro pro Mahlzeit, die aus dieser ausgewogenen Mischkost besteht, liegen wir nur 6 Cent über dem Normalpreis für ein konventionelles Essen. Mit einem noch höheren Anteil an Ökoprodukten wäre das momentan keinesfalls drin“, rechnet Schulz-Greve.

Auch der Spandauer Kinderarzt Ulrich Fegeler hält die Zahl der dicken Kinder für besorgniserregend. Die falsche Ernährung sowie der Umgang mit Essen liege jedoch meist in einer „Dysfunktion“ der Familie und dem direkten Umfeld begründet. „Wenn man einem Kind regelrecht das Maul stopft, ohne differenziert auf dessen Situation einzugehen, wird es sich natürlich in späteren Frustsituationen genauso helfen“, erklärt Fegeler. Der Landessprecher der Berliner Kinderärzte hält es für falsch, den Schwerpunkt auf das Schulalter zu legen, sondern hat bereits das Vorschulalter im Blick. Schon hier gebe es sprachliche, motorische und kognitive Entwicklungsdefizite, die entstünden, wenn die Kinder nicht genügend angeregt würden.